Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
vermied klassische Ausfallschritte und konterte stattdessen mit ungewöhnlichen Dreh- und Schlagtechniken. Ihre Bewegungen waren so schnell, dass die Klinge oftmals nur als silberner Schimmer in der Luft zu sehen war. Beide Gegner hatten ihre Stärken und Schwächen und Oskar war verblüfft, wie gut der Forscher sich hielt. Niemals hätte er in ihm einen solch gewandten Kämpfer vermutet. Er parierte, schlug und stach, als hätte er noch nie in seinem Leben etwas anderes getan. Doch es war ebenso klar, dass er auf Dauer unterliegen würde. Er war einfach zu groß und schwer, um einen solchen Kampf über längere Zeit fortführen zu können. Ihm floss der Schweiß in Strömen vom Gesicht. Seine Haut war gerötet und er keuchte wie eine Dampfmaschine. Valkrys hingegen wirkte, als hätte sie sich gerade erst warm gemacht. Ihre Atemfrequenz war etwas erhöht und ihre Angriffe nicht mehr ganz so aggressiv wie zu Anfang. Dafür wirkte sie jetzt kühler und überlegter.
Es mochten zehn Minuten vergangen sein, als Humboldt nach einer perfekt ausgeführten Ligade der Söldnerin das Gleichgewicht verlor und auf den nassen Planken ausglitt. Er strauchelte, fiel hin und rutschte gegen eine der hölzernen Deckaufbauten. Im Nu war Valkrys bei ihm, die Klinge auf sein Herz gerichtet. »Hoch mit dir, Carl Friedrich!«, forderte sie.
Eliza hatte vor Entsetzen die Hände vor den Mund geschlagen. Sie wollte ihm zu Hilfe eilen, doch Oskar hielt sie zurück. Er musste verhindern, dass auch sie noch in Gefahr geriet. Dies war eine Sache zwischen Valkrys und Humboldt.
Der Forscher wollte sich gerade wieder aufrappeln, als ein schreckliches Pfeifen ertönte. Alle waren so auf den Kampf fixiert gewesen, dass niemand das Felsenloch im Auge behalten hatte.
Mit einem Fauchen schnellte ein gewaltiges Höhleninsekt daraus hervor, packte Charlotte und verschwand mit ihr im Höhleneingang.
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Humboldt schlug Valkrys’ Klinge beiseite, tauchte darunter weg und sprang auf. Die Söldnerin war viel zu perplex, um schnell genug reagieren zu können. Genau wie alle anderen war auch sie von dem plötzlichen Erscheinen der Riesenschrecke völlig überrascht worden. Für Oskar war alles so schnell gegangen, dass es ihm fast wie ein Traum vorkam. Aber es war kein Traum. Er starrte auf die Stelle, an der Charlotte eben noch gestanden hatte.
Humboldt hastete zu seiner Ausrüstungstasche und begann, Waffen hervorzukramen. »Schnell, Yupan«, keuchte er. »Hinterher! Geben Sie Signal an Ihre Männer. Sie sollen uns folgen.«
Der alte Mann winkte die Schiffe zu sich heran.
»Keine Bewegung, Carl Friedrich!« Valkrys richtete die Spitze ihres Schwertes auf ihn. »Unser Kampf ist noch nicht vorbei.«
»Für mich ist er das«, sagte Humboldt mit einem Kopfschütteln. »Er war schon vorbei, ehe er überhaupt begonnen hat. Ich wollte dir nie wehtun, Val. Es tut mir schrecklich leid, was damals geschehen ist. Wenn du es mir erlaubst, werde ich irgendwann versuchen, es wiedergutzumachen. Aber nicht jetzt. Jetzt hat das Leben meiner Nichte Vorrang. Töte mich, wenn du unbedingt musst, ansonsten geh mir aus dem Weg.« Er fuhr fort, seine Sachen zu packen.
Valkrys hielt ihre Waffe noch eine kurze Zeit auf ihn gerichtet, dann senkte sie sie langsam. »Diese Sache ist noch nicht ausgestanden«, sagte sie. »Sobald ihr hier fertig seid, machen wir weiter.«
»Von mir aus. Bis zum bitteren Ende, wenn du darauf bestehst, du hast mein Wort.« Er überlegte kurz, dann sagte er. »Warum schließt du dich uns nicht an? Eine Kämpferin wie dich könnten wir jetzt gut brauchen.«
» Was}« Oskar konnte kaum glauben, was er da hörte. »Diese Frau trachtet Ihnen nach dem Leben und Sie laden sie ein, mit uns zu kämpfen?«
»Dein Begleiter ist ja ein richtiger Heißsporn«, sagte Valkrys mit einem Lächeln. »Und gut aussehend dazu. Er gefällt mir. Wo hast du ihn aufgegabelt?«
Humboldt tat so, als hätte er die Frage überhört. »Wie sieht’s aus? Kommst du mit oder nicht?«
»Von mir aus«, sagte sie und ließ die Klinge ihres Schwertes durch die Luft sausen. Ein feines Sirren erklang. »Ein bisschen Training hat bekanntlich noch nie geschadet.«
»Oskar«, sagte Humboldt und drückte ihm seinen Stab in die Hand. »Du nimmst mein Rapier. Ich werde die Armbrust nehmen. Du weißt, ich kann damit zur Not auch Sprenggeschosse verschießen. Möge das Schicksal verhindern, dass es je dazu kommt.«
Oskar steckte den Stab seitlich in seinen Gürtel und zog die
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