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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Die meisten Trickbetrüger sind absolute Dilettanten. Armselige Taschenspieler. Man sieht ihnen schon aus zehn Meter Entfernung an, dass sie etwas im Schilde führen. Deine Nummer mit dem Aktenordner hingegen war ausgezeichnet.« Oskar wollte protestieren, aber Humboldt hob die Hände. »Ja, ja, ich weiß, du bist nur ein einfacher Botenjunge, aber nehmen wir mal an, du wärst keiner. Nehmen wir mal an, du wärst ein ganz gewöhnlicher kleiner Taschendieb …«
    Jetzt also doch, was hatte der Mann nur mit ihm vor? Warum rief er nicht endlich die Gendarmen?
    »… dann hättest du deine Sache sehr gut gemacht. Die Sache mit der Verkleidung, den Akten und der anschließenden Flucht über die Dächer – merveilleux!«
    Oskar wusste nicht, was das Wort bedeutete, aber es klang wie ein Lob.
    »Nicht gut genug, fürchte ich«, murmelte er.
    Humboldts Augen leuchteten geheimnisvoll. »Nun, was das betrifft – eigentlich hattest du gar keine richtige Chance.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Statt einer Antwort öffnete der Forscher eine Schublade. Er zog das Portemonnaie heraus, das Oskar ihm gestohlen hatte.
    »Erinnerst du dich daran?«
    »Allerdings.«
    Der Forscher wedelte mit der Geldbörse. »Fragst du dich nicht, wie ich dich gefunden habe?«
    »Doch, allerdings. Ich war doch schon längst im Haus. Es war unmöglich, mich zu sehen. Woher wussten Sie, welche Richtung ich einschlagen würde?«
    Humboldt öffnete das Portemonnaie. »Sieh her.«
    Er entnahm ihm das stumpf glänzende Metallstück, das Oskar bereits auf dem Dachboden aufgefallen war. Er legte es auf den Tisch und schnippte es zu ihm hinüber.
    »Steck es ein.«
    »Was soll ich?«
    »Steck es ein. Und dann steh auf.«
    Oskar überlegte einen Augenblick, ob er sich weigern sollte. Er war unfreiwillig in diesem Haus, das durfte er nicht vergessen. Andererseits interessierte ihn die Sache.
    Er tat also, wie Humboldt gesagt hatte, und erhob sich von seinem Stuhl. Humboldt griff in seine Hosentasche und holte einen merkwürdigen kleinen Gegenstand heraus. Ein Metallgestell, in dem so etwas wie die Miniaturausgabe einer Weltkugel hing, nur mit dem Unterschied, dass diese hier auf zwei Achsen lagerte und in jede Richtung frei rotierte. Auf der Außenseite der Kugel waren mehrere Markierungen aufgemalt, die wie Winkelmaße aussahen. Einer dieser Punkte war rot hervorgehoben und zeigte genau auf ihn.
    »Und jetzt beweg dich.«
    Oskar trat einen Schritt zur Seite. Der rote Punkt folgte ihm. Er folgte ihm auch, als er nach links um den Tisch herum und wieder zurückging. Selbst als er auf einen Stuhl kletterte, wieder hinuntersprang und vor dem Tisch in die Hocke ging, folgte ihm der rote Punkt, als könne er jede seiner Bewegungen voraussehen. Wie ein Auge.
    »Hexerei«, murmelte Oskar, während er misstrauisch das seltsame Gerät anstarrte.
    »Keineswegs.« Humboldt kicherte vergnügt. »Das Zauberwort heißt Magnetismus. Und zwar Magnete von einer besonders starken Sorte. Aus Meteoriten, um genau zu sein.«
    »So wie ein Kompass?«
    »Exakt, mein junger Freund. Nur, dass sich der magnetische Südpol nicht in der Arktis befindet, sondern hier in deiner Hand. Egal, wohin du auch gehst, egal, wie weit du dich auch von mir entfernst, das Auge zeigt mir stets die Richtung.«
    »Auch durch Gebäude hindurch?«
    »Durch Gebäude, durch ganze Stadtteile, ja selbst durch Berge hindurch. Willst du es mal nehmen?«
    Oskar nickte und ließ sich von Humboldt den seltsamen kleinen Kasten geben. Er war bedeutend schwerer, als er aussah. Die kleine Kugel blickte ihn an wie ein bösartiges Auge. Sie erinnerte ihn an jene Augen lebensechter Holzmarionetten, wie sie manchmal auf Jahrmärkten zu bestaunen waren. Oskar hatte Marionetten noch nie leiden können.
    Von dem Metallgestell gingen leichte Schwingungen aus. Es brummte und summte und kitzelte seine Finger. Als er versuchte, sie zu lösen, spürte er, dass sie irgendwie an dem Metall zu kleben schienen. Angewidert stellte er das Ding zurück auf den Tisch und legte auch gleich das krumme Metallstück daneben. Es flutschte sofort herüber und blieb an dem Kasten hängen.
    »Hexerei«, murmelte er noch einmal, dann richtete er seinen Blick wieder auf Humboldt. »Na schön. Wenn Sie mich also nicht einsperren lassen wollen, was dann? Sie werden mich wohl kaum einfach laufen lassen.«
    Humboldt wiegte den Kopf. »Nein. Jedenfalls nicht gleich. Zunächst mal möchte ich, dass du dir mein Angebot anhörst.«
    »Ein Angebot?« Oskar zog

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