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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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»Gibt es sonst noch etwas, was ich für Sie tun kann?«, würgte er heraus.
    »Nein, das war’s im Augenblick. Ich werde mir jetzt ein Bad gönnen und danach lesen. Dabei möchte ich nicht gestört werden.«
    Oskar deutete ein Nicken an und ging zur Tür. Auf dem Weg nach unten verspürte er das dringende Bedürfnis, irgendetwas kaputt zu machen. Seine Stimmung war auf dem absoluten Nullpunkt angelangt.

9
     
     
    Drei Tage später …
     
    Es war der Abend vor der Abreise.
    Eliza hatte es sich nicht nehmen lassen, anlässlich ihres bevorstehenden Abenteuers etwas Besonderes zu kochen, und hatte sich dabei wieder einmal selbst übertroffen. Tassot de dinde – getrocknetes Truthahnfleisch, Grillot – Schweinefleisch, Diri et djondjon – Reis mit schwarzen Pilzen, Riz et pois – Reis mit Erbsen, Ti malice – kleine Banane, Piment oiseau – scharfe Soße und Grillot et banane pese – Koteletts mit Bananen. Eliza nannte es kreolisch, doch für Oskar war es wie Zauberei. Die Gewürze und Kräuter hatten eine merkwürdig belebende Wirkung. Es fühlte sich an, als hätte jemand ein kleines Feuer in seinem Bauch entzündet und vergessen, es zu löschen. Während die anderen in das Studierzimmer hinübergingen und dort noch ein Glas Punsch tranken, räumte Oskar den Tisch ab. Dann machte er die Küche sauber und kehrte zu den anderen zurück.
    »Komm her, mein Junge, setz dich zu uns.« Der Forscher paffte eine dicke Zigarre und klopfte auf den Sessel neben sich. »Wir wollen uns noch ein wenig unterhalten, ehe wir uns zu Bett begeben. Morgen wird ein anstrengender Tag, da sollten wir alle gut ausgeruht sein.«
    »Ehrlich gesagt, ich würde lieber schon ins Bett gehen«, sagte Oskar mit gesenktem Kopf.
    »Stimmt etwas nicht?«
    »Nein, es ist nur … ich bin einfach müde.«
    Der Forscher blickte ihn prüfend über den Rand seiner Brille hinweg an. »Sicher, dass ich dich nicht zu einem Schluck überreden kann?«
    Oskar warf Charlotte einen Blick aus dem Augenwinkel zu, dann nickte er. »Ganz sicher. Vielen Dank.«
    »Nun, Reisende soll man nicht aufhalten«, sagte Humboldt. »Wir sehen uns dann morgen früh um sieben. Ich wünsche dir eine angenehme Nachtruhe.«
    Oskar deutete eine Verbeugung an und zog sich dann zurück. Er stieg die Treppe hinauf, ging in sein Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Es war natürlich Unsinn, dass er müde war. Die Wahrheit war, er musste eine Entscheidung treffen.
    Er ging hinüber zum Fenster, löste den Riegel und öffnete die beiden Flügel. Ein milder Wind wehte herein. Ein leichter Streifen von Abendrot war zu erkennen, darüber eine Front von Regenwolken, die rasch näher zog.
    Während er einen Schwarm Vögel beobachtete, der über den Himmel flog, ließ er sich die ganze Sache noch einmal gründlich durch den Kopf gehen. Charlottes Eintreffen hatte seiner Vorfreude einen gehörigen Dämpfer verpasst. Durch sie war ihm klar geworden, dass er sich da in etwas hineingesteigert hatte. Etwas, was – nüchtern betrachtet – nichts als eine schöne Illusion gewesen war. Er hatte sich schon an der Seite Humboldts im indischen Dschungel auf Elefanten reiten sehen, er hatte sich ausgemalt, wie sie im finsteren Herzen Afrikas auf seltene Menschenaffen trafen, hart verfolgt von feindlichen Pygmäenstämmen. Er hatte geträumt, wie Karl May durch die Wüste oder das wilde Kurdistan zu reiten, Kara Ben Nemsi zu begegnen, packende Abenteuer zu erleben und als strahlender Held nach Berlin zurückzukehren, respektvoll gegrüßt von den feinen Herrschaften und umschwärmt von den jungen Damen. Mann, war er naiv gewesen! Der heutige Abend hatte ihm gezeigt, wo er wirklich stand.
    Missmutig auf dem Bett sitzend, blickte er auf die näher kommenden Wolken. Für Oskar war klar, dass Charlotte die Schuld an allem trug. Den ganzen Abend hatte sie ihn von oben herab behandelt. Oskar hol dies, Oskar hol das. Räum meinen Teller weg, hol mir etwas zu trinken, mach dich nützlich in der Küche. Als wäre sie hier die Hausherrin. Er hatte es satt, sich von dieser hochnäsigen Person herumkommandieren zu lassen. Andererseits musste er ihr dankbar sein, dass sie ihm die Augen geöffnet hatte. Sie hatte ihm gezeigt, wie seine Aufgaben an der Seite Humboldts tatsächlich aussehen würden. Keine abenteuerlichen Kämpfe mit den Regenfressern hoch oben in ihren Himmelsstädten. Gepäck tragen, Kartoffeln schälen und Stiefel putzen, das war es, worum es für ihn auf dieser Reise gehen würde. Dinge

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