Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
von der Kreatur in einer tönernen Schale aufgefangen wurde. Dann noch einer und noch einer. Es dauerte nicht lange und der Boden des Gefäßes war mit seinem Blut bedeckt. Als kein Blut mehr kam, war das Wesen zufrieden. Es näherte sich ihm bis auf eine Armlänge, wobei der Schnabel beinahe seine Nasenspitze berührte. Die großen gelben Augen schienen sich direkt in Boswells Hirn zu brennen.
    » Quankuna Nawi hawa.«

11
     
     
    Charlotte war sofort wach. Sie hatte etwas gehört. Keines von den Geräuschen, die man gewöhnlich in der Nacht hörte. Was da durch das geöffnete Fenster zu ihr heraufdrang, war eindeutig ein Stöhnen.
    Sie erhob sich, ging zum Fenster und machte es auf. Ein rascher Blick auf die Uhr sagte ihr, dass zwölf vorbei war. Der Regen hatte aufgehört und durch die Wolkenfetzen drang silbrig das Mondlicht.
    In diesem Moment hörte sie ein Niesen. Direkt unter ihrem Fenster. Sie beugte sich vor. Da war eine Bewegung im Gebüsch. Eine gebeugte Erscheinung mit einer Tweedjacke und einer Mütze auf dem Kopf.
    Oskar.
    Sie runzelte die Stirn. Was hatte der Junge da draußen zu suchen?
    Sie zündete ihre Petroleumlampe an, schlüpfte in ihre Pantoffeln und verließ das Zimmer. So leise wie möglich eilte sie die Treppe hinab und runter in den Keller. Gespenstische Schatten huschten über die Wände.
    Sie erreichte die Küche, holte sich den Schlüssel aus dem Geheimversteck und stieg die Kellertreppe hinab. Sie kannte das Labor des Forschers. Schon als kleines Mädchen war sie hier unten gewesen. Es hatte ihr jedes Mal einen Schauer verursacht, all die seltsamen Apparaturen und die furchterregend aussehenden Tiere zu sehen.
    Aber nicht heute.
    Sie drehte den Schlüssel herum und öffnete die Tür. Auf der anderen Seite wurde sie von Wilma begrüßt. Der kleine Vogel rannte aufgeregt vor ihr her und wackelte mit den Stummelflügeln.
    »Na, meine Kleine?«, flüsterte Charlotte. »Was bist du denn so aufgeregt? Hast du unseren nächtlichen Rumtreiber auch bemerkt?« Der Kiwi quiekte kurz, dann rannte er wieder davon. Charlotte hob die Lampe und bahnte sich einen Weg in den hinteren Teil des Labors. Auf einmal sah sie, wie sich die Klappe öffnete und eine völlig verdreckte Gestalt hereingekrochen kam.
    »Du meine Güte!«, flüsterte sie.
    Oskar war in einem bemitleidenswerten Zustand. Völlig durchnässt und am ganzen Leib zitternd, robbte er ins Trockene und lehnte sich dann gegen die Wand. Er sah aus, als wäre er verprügelt worden. Sein Gesicht wies etliche dunkle Flecken auf und die Lippe war an einer Stelle aufgeplatzt. Seine Kleidung war über und über mit Dreck verschmiert und die Schuhe vom Regen ganz aufgeweicht.
    Er hob sein Gesicht und ihre Blicke trafen sich. In seinen Augen lag so viel Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, dass es einem das Herz brechen konnte. Wilma hüpfte auf seinen Schoß und versuchte, ihn zu trösten. Immer wieder pickte sie zärtlich nach der Hand des Jungen, wobei sie gurrende Laute ausstieß.
    Charlotte gab sich einen Ruck und fragte: »Kannst du aufstehen?«
    Er deutete ein Nicken an und ließ sich von ihr auf die Füße ziehen. Seine Hände waren eiskalt. Er musste sich auf sie stützen, um nicht umzufallen. Unter Aufbietung all ihrer Kräfte führte sie ihn durch das Labor und die Treppe hinauf. Ihr Ziel war die Küche. Dort konnte sie ihm wenigstens etwas Warmes zu trinken machen.
    Oben angekommen, setzte sie ihn auf einen Stuhl und schürte das Feuer im Herd. Dann wandte sie sich wieder zu ihm um. »Du bist völlig durchnässt«, sagte sie. »Ich weiß, dass hier irgendwo trockene Sachen herumliegen. Beweg dich nicht vom Fleck, ich bin gleich wieder da.«
    Sie ging in den Speicherraum und durchforstete die Regale. Schon bald hatte sie gefunden, was sie suchte. Gärtnerhose, Pullover, Handschuhe und Stiefel. Vermutlich alles viel zu groß, aber das war jetzt egal. Sie ließ das Bündel auf den Boden fallen und begann, den Jungen auszuziehen. Sein Körper war übersät mit blauen Flecken, Schürfungen und Blutergüssen. Wie schlecht es ihm ging, ließ sich daran ablesen, wie wenig Widerstand er leistete. Erst als sie bei seiner Unterwäsche angelangt war, hob er die Augen.
    »Na schön«, sagte sie. »Ich denke, es wird auch so gehen.« Sie zog ihm alles an, was sie gefunden hatte, einschließlich einer furchtbar aussehenden Pudelmütze. Sie musste ihn wieder warm bekommen, koste es, was es wolle. Während sie den Tee vorbereitete, fragte sie sich, ob sie

Weitere Kostenlose Bücher