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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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vielleicht etwas mit seiner schlechten Verfassung zu tun haben könnte. Sie war heute Abend nicht gerade nett zu ihm gewesen.
    Als der Kessel pfiff, nahm Charlotte ihn vom Herd, brühte einen Hagebuttentee auf, tat zwei gehäufte Löffel Zucker in die Tasse und reichte sie ihm. Mit zitternden Fingern nahm er das heiße Getränk in Empfang. Charlotte zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihm gegenüber. Dann wartete sie. Es dauerte ein paar Minuten, bis Oskar das erste Mal die Lippen bewegte.
    »Danke.«
    »Möchtest du noch eine?«
    Er nickte. Sie nahm die Tasse und schenkte sie noch einmal voll. Sein Gesicht hatte schon wieder etwas Farbe angenommen.
    »Was ist geschehen? Was hast du da draußen im Garten gemacht? Wolltest du abhauen?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Willst du es mir erzählen?«
    Er schüttelte den Kopf. Charlotte war sich in dem Moment sicher, dass der Junge eher im Boden versinken würde, als ihr zu erzählen, wo er diese Prügel bezogen hatte.
    Sie nickte. »Es war wegen mir, nicht wahr? Ich habe mich heute Abend schrecklich benommen, ich weiß. Bitte verzeih mir, es war nur wegen … Ach, ich weiß auch nicht.«
    Oskar schlürfte gedankenverloren an seinem Tee. »Ich bin hier doch völlig überflüssig. Ich habe mir immerzu die Frage gestellt, was ich hier soll. Da bin ich eben abgehauen. War aber ’ne dämliche Idee.« Er zuckte mit den Schultern. »Sie finden das sicher lächerlich.«
    »Ganz und gar nicht. Und ich glaube, dass du dich irrst. Mein Onkel hält große Stücke auf dich.«
    »Tut er das?«
    »Aber ja. Er würde das natürlich nie zugeben, aber ich kenne ihn besser. Ich glaube, es tut ihm gut, dass ein zweiter Mann im Hause ist. Und jetzt lass dieses dumme Sie. Nenn mich einfach Charlotte.« Sie reichte ihm ihre Hand. »Einverstanden?«
    Er lächelte, dann nickte er und ergriff ihre Hand. Seine Finger fühlten sich rau und kalt an.
    »Wie geht es deiner Lippe?« Sie betrachtete die pflaumengroße Schwellung.
    Oskar tastete vorsichtig an seinen Mund und zuckte leicht zusammen. »Geht schon wieder. Ich denke, ich werde sie am besten in Ruhe lassen.« Mit einem entschuldigenden Lächeln fügte er hinzu: »Sieht sicher furchtbar aus.«
    »Halb so wild. Am besten, du kühlst sie mit einem kalten Metallstück oder mit Glas. Warte mal.« Sie langte rüber und griff nach einem Weckglas mit eingemachten Kürbissen. »Hier, versuch das mal.«
    »Ich weiß gar nicht, wie ich das Herrn Humboldt erklären soll«, murmelte er, während er das Glas an die Schwellung presste. »Wenn er erfährt, was ich getan habe, schmeißt er mich achtkantig raus.«
    »Lass das mal meine Sorge sein«, sagte sie. »Ich denke mir was aus. In so was bin ich gut.«
    Oskar warf ihr einen langen Blick zu. »Danke«, nuschelte er. »Danke, dass du dich so um mich kümmerst.«
    Da habe ich wohl einiges wiedergutzumachen, dachte Charlotte und spürte, wie ein Anflug von Wärme über ihre Wangen huschte. Sie hatte sich Oskar gegenüber wirklich scheußlich benommen. Konnte es sein, dass sie selbst eifersüchtig war auf den Jungen, der so plötzlich im Haus ihres Onkels aufgetaucht war?
    Charlotte wartete eine Weile, dann sagte sie: »Jetzt, da wir das geklärt haben, können wir uns ja eigentlich wieder der Reise zuwenden. Du wirst es dir doch nicht wieder anders überlegen, oder?«
    Oskar verzog das Gesicht zu einem Lächeln. »Nein, sicher nicht. Ich fahre mit.«
    »Umso besser. Das Neueste weißt du nämlich noch gar nicht.« Sie lächelte geheimnisvoll.

12
     
     
    »Es geht um die Fotoplatte: Ich habe etwas darüber herausgefunden.«
    »Erzähl.« Oskar fühlte sich schon wieder bedeutend besser. Das lag zum einen sicher an dem wärmenden Tee, aber mehr noch an der Erleichterung, die er verspürte. Das Gespräch mit Charlotte hatte seine Meinung geändert.
    »Es wird dir gefallen.« Schnell holte sie Stift und Papier und setzte sich wieder neben ihn. »Mein Onkel hat mir die Fotoplatte gezeigt. Ist sie nicht sagenhaft? Als ich diese Stadt und die Schiffe gesehen habe, war mir klar, dass wir im Begriff stehen, Geschichte zu schreiben. Während wir noch diskutierten, fiel mein Blick auf die Rückseite der Platte. Dort habe ich etwas entdeckt. Sind dir die winzigen Schriftzeichen aufgefallen?«
    Oskar verneinte.
    »Mir anfangs auch nicht. Sie sind so klein, dass man sie leicht für Kratzer halten könnte. Aber das sind sie nicht, schau her.« Sie zeichnete einige Striche und Punkte auf das Papier. Oskar hielt

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