Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
Worte.
Valkrys zog die Zügel stramm. »Halt. Brrr.«
Ihr Apfelschimmel riss den Kopf hoch, dann blieb er stehen. Sie stieg ab und ging langsam auf die Mulis zu. Die Tiere hatten sich am Ausgang des Tales nahe einem kleinen Wäldchen versammelt und knabberten am dürren Gras. Mit gezogener Waffe drehte sich die Söldnerin langsam um sich selbst. Hier gab es zwar nur wenig Spielraum für einen Hinterhalt, aber sie war von Berufswegen vorsichtig. Als sie die Tiere erreicht hatte, streichelte sie ihnen sanft über die Flanken. »Ruhig«, sagte sie. »Wo sind denn eure Reiter, hm? Steht ihr hier so ganz allein herum, ohne dass jemand auf euch aufpasst?« Die Maultiere hoben den Kopf. Sie berührte die Nüstern der Tiere. Sie waren kein bisschen nervös. Ein sicheres Zeichen, dass man nicht mit einem Hinterhalt rechnen musste. Maultiere hatte einen siebten Sinn für Gefahr. Sie hätten instinktiv die Ohren angelegt.
Nachdem sie einmal um den Tross herumgegangen war und auch das Wäldchen inspiziert hatte, steckte sie ihre Waffe wieder ein. Humboldt war weg, als habe er sich in Luft aufgelöst. Verdammt! Irgendwie hatte der Hundesohn es wieder geschafft, sie auszutricksen. Sie begann, die Taschen zu untersuchen. Kleidung, Zelte, Schlafmatten im Überfluss, aber so gut wie kein Proviant. Auch von Humboldts Messinstrumenten, von denen er mit Sicherheit einige dabeihatte, fehlte jede Spur, genau wie von seinen Waffen. Einzig ein paar minderwertige Wurfhaken waren zu finden, einige Petroleumlampen und ein Seil. Es schien, als habe die Gruppe in aller Eile die wichtigsten Dinge abgeladen, die Maultiere weiterlaufen lassen und sich dann irgendwo versteckt.
Die Frage war nur: wo?
Auf dem staubigen Pfad befanden sich nur Hufabdrücke. Keine Fußspuren. Weder von Stiefeln noch von Schuhen oder gar nackten Füßen. Nichts.
Einen leisen Fluch ausstoßend, machte sie sich ans Werk. Sie band die Maultiere mit einigen geschickten Handgriffen zusammen und hängte sie hinten an Peppers Pferd. Die Augen des Redakteurs sprühten Funken. Sie überlegte einen Moment, dann nahm sie ihm das Taschentuch aus dem Mund.
Keuchend rang er nach Atem. »Sie verdammte, hinterhältige –«
»Das ist nur auf Probe«, sagte sie. »Wenn Sie Schwierigkeiten machen oder hier herumbrüllen, ist der Knebel ruck, zuck wieder drin.«
Pepper schwieg, auch wenn seine Blicke wuterfüllt waren.
Sie griff nach den Zügeln und führte die Pferde den Weg zurück. Alle paar Meter blieb sie stehen, um die Fährten zu deuten. Sie war etwa in der Mitte des Kessels angelangt, als sie anhielt. Hier waren Fußabdrücke. Jede Menge. Einige größer, andere kleiner. Dazwischen etwas, was wie Vogelspuren aussah.
Sie presste die Lippen aufeinander. Wieso war ihr die Stelle nicht vorhin schon aufgefallen? Verdammte Unachtsamkeit.
»Sie sind hier abgestiegen«, sagte sie. »Aber wohin sind sie gegangen? Sie können sich doch nicht in Luft aufgelöst haben.«
Valkrys sah sich um. Im Kessel war es vollkommen still. Man konnte den Wind über die Felskante streichen hören. Sie sondierte die Umgebung, dann sagte sie: »Na schön. Bleibt also nur das gute alte Fährtenlesen.« Eine Kunst, auf die sie sich zum Glück gut verstand. »Sie bleiben hier«, sagte sie mit einem ironischen Lächeln zu Pepper, während sie damit begann, das Gebiet spiralförmig abzuschreiten.
Nachdem sie sich ein ganzes Stück von den Pferden entfernt hatte, entdeckte sie plötzlich etwas im Gras. Einen kleinen weißen Fleck, der feucht glänzte. Sie kniete sich hin, tippte mit dem Finger hinein und hielt ihn sich unter die Nase. »Vogelscheiße«, flüsterte sie. »Und noch ganz frisch.« Sie hob ihren Kopf. Auf einem Felsbrocken in unmittelbarer Nähe waren einige helle Stellen zu sehen. Sie eilte auf ihn zu und begann, ihn genauer zu untersuchen. Irgendjemand hatte hier vor nicht allzu langer Zeit Moos vom Stein gekratzt. Darunter waren einige Zeichen erschienen, die man leicht für zufällige Kerben oder Muster hätte halten können. Doch Valkrys’ innere Stimme sagte ihr, dass es eine besondere Bewandtnis damit hatte.
Gewiss waren es Schriftzeichen.
Sie sah sich um und staunte nicht schlecht, als sie erkannte, dass auch die anderen Steine mit Symbolen versehen waren. Was war das nur für ein seltsamer Ort?
Noch einmal untersuchte sie den Boden. Sie bemerkte, dass das Gras an dieser Stelle besonders stark niedergetrampelt war. Sie konnte förmlich sehen, wie Humboldt und seine Leute sich um
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