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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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diesen Fund versammelt hatten. Was immer die Zeichen auf den anderen Steinen auch bedeuten mochten, dieser hier war von besonderem Interesse gewesen.
    Sie traf eine Entscheidung und eilte zurück zu den Pferden. Mit flinken Bewegungen begann sie, den Redakteur von seinen Fesseln zu befreien. »Runter mit Ihnen«, sagte sie. »Zeit, dass Sie etwas für Ihr Geld tun.«
    Der Redakteur plumpste ins Gras. Mürrisch richtete er sich auf.
    »Jetzt habe ich aber genug, Sie miese, verlogene –«
    Das Klicken von Valkrys’ Revolver ließ ihn innehalten.
    »Sind Sie sicher, dass Sie weiterreden wollen, Pepper?«
    Der Redakteur zögerte einen Moment, dann schüttelte er den Kopf.
    »Besser so«, sagte Valkrys.
    »Was wollen Sie überhaupt von mir?« Er begann unter Stöhnen, seine Füße und Arme zu massieren.
    »Sie sind doch ein Spezialist in Sachen altindianische Sprachen und Schriftzeichen, nicht wahr? Wenn Sie mir dabei helfen, das Rätsel zu lösen, bekommen Sie eine zweite Chance.«
    »Und wenn nicht?«
    Sie winkte mit der Waffe.
    Er nickte resigniert. »Kann ich wenigstens vorher noch was zu trinken haben?«
    Valkrys warf ihm den Wasserschlauch zu.
    Mit gierigen Schlucken saugte er das kühle Nass in sich hinein, wobei er die Hälfte verkleckerte. Als er endlich fertig war, wischte er sich über den Mund und gab den Schlauch zurück. Sein Blick verhieß nichts Gutes.

28
     
     
    Die Treppen führten geradewegs in den Himmel. Die vier Abenteurer stiegen über ausgetretene Steinstufen und schräg verlaufende Felsplatten immer weiter nach oben. Irgendwo im Nebel über ihren Köpfen verlor sich der Pfad. Mancherorts war er mit Geröll verschüttet, sodass man aufpassen musste, nicht auszurutschen. An anderen Stellen wiederum war er von stacheligem Unkraut überwachsen, das an ihren Hosen und Stiefeln hängen blieb und sich nur mit Mühe entfernen ließ. Im Allgemeinen aber war der Weg gut begehbar. Hin und wieder ragten kurze Äste aus der Felswand, an denen man sich festhalten konnte, und auch der Wall zu ihrer Rechten leistete gute Dienste. Das Gestein war rau und bot den Schuhen sicheren Halt. Das war ein Glück. Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn man hier ins Straucheln geriet.
    Nach einigen Hundert Metern machte die Treppe eine Kehre und führte sie vom Haupttal weg in eine schmale Schlucht, die mit einer Vielzahl merkwürdiger Pflanzen bewachsen war: vielarmigen Kakteen, von denen einige in rosafarbener Blüte standen, riesigen Blumen, deren Fruchtknoten so groß wie Tennisbälle waren, und Bäumen, an deren dicken, knotigen Stämmen Barte von Flechten hingen.
    Es mochten etwa zwanzig Minuten vergangen sein, als sie eine erste Rast einlegten. Alle schnauften und keuchten. Niemand hatte die Kraft zu sprechen. Ihre Haut war gerötet und glänzte vor Schweiß. Keuchend ließen sich die vier Reisenden auf die Stufen sinken. Humboldt griff nach seinem Wasserschlauch und ließ ihn im Kreis herumgehen.
    »Na, Charlotte«, sagte er, nachdem er wieder etwas zu Atem gekommen war. »Bereust du es immer noch nicht, mitgekommen zu sein?«
    Das Mädchen gab ein erschöpftes Lachen von sich. »Um nichts in der Welt hätte ich das hier verpassen wollen. Ich habe das Gefühl, schon jetzt mehr gelernt zu haben als in meiner gesamten Schulzeit.«
    »Fragt sich nur, ob du dein Wissen wieder mit nach Hause nehmen kannst«, sagte Oskar.
    »Angsthase«, sagte Charlotte mit gespieltem Ernst.
    »Aber er hat recht«, erwiderte Humboldt. »Wir dürfen jetzt nicht unvorsichtig werden. Erinnert euch an das, was Eliza uns über Boswell erzählt hat. Dass er gefangen gehalten wird. Die Erbauer dieser Stadt mögen es vermutlich nicht, wenn Fremde ihr Land betreten.«
    Charlotte zog die Stirn kraus. »Und wie sollen wir verhindern, dass uns das gleiche Schicksal blüht?«
    »Ich vertraue auf mein Verhandlungsgeschick«, entgegnete der Forscher. »Zwanzig Jahre im Umgang mit fremden Kulturen, da kommt einiges an Erfahrung zusammen. Vielleicht gelingt es uns, sie von unserer Friedfertigkeit zu überzeugen. Abgesehen davon haben Eliza und ich einige kleine Geschenke für sie vorbereitet. Ein bisschen Zucker, ein Säckchen Kakao und ein paar Glasperlen – das kann manchmal Wunder wirken.« Er warf seiner Nichte ein aufmunterndes Lächeln zu. »Doch erst mal müssen wir dieses Volk überhaupt entdecken. Und wir müssen beten, dass unsere Verfolger diesen Pfad nicht finden. Ich spüre, dass Valkrys die Suche nach uns noch nicht aufgegeben

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