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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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darauf zu warten, von Valkrys Stone eingeholt zu werden. Charlotte rätselte immer noch über das, was damals vorgefallen sein mochte. Es sah ihrem Onkel so gar nicht ähnlich, einen Freund oder eine Freundin einfach hängen zu lassen. In ihren Augen war er der loyalste und aufopferungsvollste Mensch, den sie kannte, zumal er sehr moderne Ansichten über die Rechte von Männern und Frauen hatte. Warum also hatte er sich damals entschlossen, sich von Valkrys zu trennen?
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie die beiden riesenhaften Schatten erst bemerkte, als sie bereits drohend vor ihr aufragten.
    Abrupt hielt sie an.
    »Onkel?«
    »Ich habe sie gesehen«, flüsterte der Forscher über die Schulter.
    Wie zwei missgestaltete Menschen standen die Geschöpfe völlig unbeweglich im Nebel.
    »Wartet hier«, sagte er. »Ich werde mir das mal anschauen.«
    Langsam ging er auf sie zu. Charlotte grauste es beim Anblick der Figuren. Hörner wuchsen aus ihren Köpfen und in ihren Händen hielten sie mächtige Speere. Sie war wie gelähmt. Trotz ihrer warmen Jacke war ihr eiskalt. Sie blickte zu Oskar, dessen Gesicht ebenfalls von Sorge erfüllt war. Irgendetwas Seltsames war mit diesen Figuren. Warum rührten sie sich nicht? Sie bewegten sich keinen Zentimeter, nicht mal als Humboldt direkt neben ihnen stand. Verglichen mit ihm mussten sie mindestens vier Meter hoch sein. Sie hätten ihn zerquetschen können, doch sie taten nichts dergleichen. Der Forscher betrachtete sie eine Weile, dann drehte er sich um und winkte mit der Hand. »Kommt her«, rief er. »Es besteht keine Gefahr.«
    Charlotte wechselte einen kurzen Blick mit den anderen, dann gab sie sich einen Ruck und ging langsam auf die Riesen zu.
    Je näher sie kam, umso mehr Details wurden sichtbar. Schon bald war klar, dass es sich um riesige, abschreckend wirkende Totempfähle handelte, deren Aufgabe darin zu bestehen schien, Fremde zu vertreiben. Ihre Augen waren blau bemalte Steine, die in weite Ferne starrten. Die Figuren bestanden aus Holzstämmen, Ästen und geflochtenem Schilf und waren über und über mit Fellen behängt. Ihre riesigen Köpfe waren kunstvoll geschnitzt und mit ihren langen Nasen und den aufgesteckten Federn erinnerten sie irgendwie an Vögel.
    »Kein Zweifel«, sagte Humboldt und deutete auf eine unsichtbare Linie am Boden, »das ist die Grenze. An diesem Punkt betreten wir das Reich der Regenfresser. Das ist wohl unsere letzte Möglichkeit umzukehren.« Er lächelte schwach. »Und? Irgendjemand, der lieber hierbleiben würde?«
    Alle schüttelten die Köpfe.
    In diesem Moment war eine schattenhafte Bewegung im Gebüsch zu sehen. Erst auf der rechten, dann auf der linken Seite. Es sah aus, als wäre der ganze Wald in Bewegung. Charlotte konnte Wilmas verzweifeltes Quieken hören, das jedoch genauso unvermutet abbrach, wie es angefangen hatte.
    Dann sah sie sie.
    Schemenhafte Kreaturen. Nicht viel größer als Kinder, aber mit breiten Schultern und riesenhaften Köpfen. Irrte sie sich oder wuchsen da Hörner aus ihrer Stirn? Mit schnellen Bewegungen kamen sie aus dem Nebel. Ihre Gesichter sahen genauso aus wie die Masken der beiden Wächter.
    Charlotte schrie.
     
    ***
     
    Valkrys hob den Kopf. »Haben Sie das gehört?«
    Pepper nickte. »Klang, als würde sich jemand zu Tode ängstigen.«
    »Vor allem klang es nah«, sagte sie. » Verdammt nah. Kommen Sie, wir haben sie gleich!« Sie rannte los und zog ihr Langschwert aus dem Lederfutteral. Es war ein japanisches Daito, eine der besten Waffen, die es auf der Welt gab. Die Klinge gab ein feines Singen von sich, ganz so, als könne sie es kaum erwarten, endlich zum Einsatz zu kommen. Die Söldnerin hatte sich entschlossen, den Colt stecken zu lassen. Bei dieser schlechten Sicht war ein Fernkampf sinnlos.
    Mit großen Schritten rannte sie den Pfad hinauf. Pepper konnte bei diesem Tempo nicht mithalten. Er fiel immer mehr zurück, bis er schließlich vom Nebel verschluckt wurde. Die Söldnerin kümmerte sich nicht um ihn. Er würde bei der bevorstehenden Auseinandersetzung ohnehin nur im Weg stehen.
    Sie hatte eine baumbestandene Kuppe erreicht, als sie wie angewurzelt stehen blieb. Zwei monströse Gestalten versperrten ihr den Weg. Riesenhaft, breitschultrig und mit Speeren bewaffnet, standen sie da und bewachten den Pfad. Valkrys zögerte nicht lange. Sie zog einen ihrer Wurfsterne aus dem Schulterhalfter und schleuderte ihn mit aller Kraft in Richtung der Feinde. Es gab ein Schwirren,

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