Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Irrte sie sich oder klang das irgendwie hohl? Die Erscheinung rührte sich keinen Millimeter. Die Söldnerin umfasste ihr Daito mit beiden Händen und ging in Kampfstellung auf die Riesen zu. Nach ein paar Metern war klar, dass es Attrappen waren. Augenscheinlich dienten sie zur Abschreckung. Sie ging auf eine der Figuren zu und zog ihren Shurikan wieder heraus. Der Boden war bedeckt mit Fußspuren. An einer Stelle fand sie einige dunkle Flecken am Boden. Sie beugte sich vor und verrieb den Sand zwischen ihren Fingern. Blut.
    Ein Stück weiter im Gras lag etwas, das ihr vage vertraut vorkam. Ein Stab. Er besaß eine Länge von einem guten Meter, war aus pechschwarzem Ebenholz gearbeitet und an seinem einen Ende mit einem Goldknauf versehen. Ein Spazierstock, der Goldknauf in Form eines Löwenkopfes. Sie zog daran und ein dünnes und messerscharfes Rapier kam zum Vorschein. Kein Zweifel: Humboldts Stock. Er hatte ihn schon besessen, als er damals im Kloster lebte. Eine Spezialanfertigung eines Waffenmachers in Berlin. Nie im Leben hätte der Forscher sich freiwillig davon getrennt.
    Die Zeichen ließen keinen Zweifel: Man hatte sie überwältigt und gefangen genommen. Valkrys war zu spät gekommen. Wieder einmal.
    Auf einmal kam Pepper angeschnauft. Sein Atem ging stoßweise, seine Stirn war schweißbedeckt. »Großer Gott«, keuchte er, als er wieder sprechen konnte. »Was ist das hier für ein Ort? Was sind das für Figuren?« Er blickte voller Ehrfurcht auf die riesigen Gestalten aus Holz. »Wo ist Humboldt?«
    Die Söldnerin blieb die Antwort schuldig. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte sie sich auf den Weg und nahm die Verfolgung wieder auf. Noch war das Rennen nicht beendet.
    Eine halbe Stunde später musste sie einsehen, dass sie den Wettlauf verloren hatte. Sie würde Humboldt nicht einholen. Kopfschüttelnd blieb sie stehen und rang nach Atem. Pepper war am Ende seiner Kräfte. Er sah aus, als stünde er kurz vor dem Verdursten. Er ließ sich ins Gras fallen, hängte sich an die Wasserflasche und ließ das erfrischende Nass in sich hineinlaufen. Nach ein paar Sekunden nahm Valkrys ihm den Schlauch wieder weg. »Hören Sie auf«, sagte sie. »Wir müssen sparsam sein. Wer weiß, ob wir hier oben Wasser finden.«
    Der Redakteur nickte und wischte sich über den Mund. »Sie haben recht«, keuchte er. »Es war nur, dass ich …« Er konnte nicht weitersprechen. Seine Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Valkrys sah ihn besorgt an. Wenn sie nicht wollte, dass er unterwegs zusammenklappte, musste sie langsamer gehen.
    »Was haben Sie eigentlich vor, wenn Sie Humboldt finden?«, keuchte Pepper. »Sie wollen ihn doch nicht etwa umbringen?«
    »Halten Sie mich für eine Barbarin? Nein, natürlich nicht. Ich möchte ihn nur davon überzeugen, dass es sinnlos ist, weiterzugehen. Ohne Waffen und Proviant dürfte ihm das auch sehr schwerfallen.«
    »Sie wollen ihn berauben?«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte Valkrys. »Für mich ist es ein notwendiges Übel. Wir stehen so dicht vor der Entdeckung, dass ich mir den Triumph nicht von einem Carl Friedrich von Humboldt streitig machen lasse.« Sie nahm ebenfalls einen Schluck, dann steckte sie den Schlauch zurück in ihren Rucksack. »Ich verstehe nicht, wie die so schnell verschwinden konnten«, sagte sie. »Eigentlich hätten wir sie längst einholen müssen. Ist mir ein Rätsel.« Sie fluchte innerlich. Das war schon das zweite Mal, dass Humboldt ihr im letzten Augenblick entwischt war. Dieser Kerl war nicht nur gut, er hatte auch noch unverschämtes Glück. Grimmig starrte sie in den Nebel, dann wieder auf Pepper. Der Redakteur war wirklich in einem bemitleidenswerten Zustand. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, sagte sie. »Wir werden ihnen noch eine halbe Stunde lang folgen. Wenn wir sie bis dahin nicht eingeholt haben, werden wir uns ein Lager suchen. Viel weiter kommen wir heute ohnehin nicht. Nach meiner Uhr ist es kurz nach vier. Wir müssen langsam daran denken, uns ein Nachtlager zu bauen.«
    »Einverstanden«, keuchte der Redakteur und ließ sich von ihr auf die Füße ziehen. »Schnappen wir sie uns.«
    Die Söldnerin musste lächeln. Pepper war zwar ein Weichei, aber wenigstens hatte er Humor. Etwas, was in dieser Einsamkeit mehr als willkommen war. Außerdem war er kein Dummkopf. Sein Wissen über diese Kultur und ihre Sprache hatte sich bereits als nützlich erwiesen. Wer konnte ahnen, was ihnen noch alles

Weitere Kostenlose Bücher