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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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einer Weile wurde ihm klar, dass es sich um Stimmen handelte. Unzählige, vielfältige Stimmen, manche höher, manche tiefer.
    Schläge von Metall ließen den Boden erzittern. Das dumpfe Grollen gewaltiger Maschinen erfüllte die Luft. Rauch stieg ihm in die Nase. Es roch nach verbranntem Holz, nach Gewürzen, Kräutern und Fleisch. Das Stimmengewirr wurde lauter und lauter. Obwohl er blind war, konnte er förmlich sehen, wie sich die Bewohner um ihn scharten, wie sie vor ihnen zurückwichen und eine Gasse bildeten. Verhaltenes Gemurmel drang an sein Ohr, hin und wieder ein feines Lachen. Er konnte beinahe verstehen, was sie sagten. Sie unterhielten sich über die Neuankömmlinge, darüber, was diese Fremden hier wollten und wie sie es wagen konnten, ihr Reich zu betreten.
    Dann schwollen die Stimmen an, wurden lauter und zorniger – so lange, bis eine der Wachen einen scharfen Laut von sich gab, worauf der Lärm verebbte.
    Was waren das wohl für Wesen? Waren es Menschen? Die Gestalten im Nebel hatten fast wie Kinder gewirkt. Ihre Kräfte aber waren den ihren zumindest ebenbürtig. Nicht mal Humboldt, der ja nun wirklich stark war wie ein Bär, hatte ihnen etwas entgegenzusetzen gehabt.
    Vermutlich war es ihm gar nicht auf einen ernsthaften Kampf angekommen. Einen offenen Konflikt heraufzubeschwören wäre das Dümmste gewesen, was sie hätten tun können. Sie wollten Forschungen betreiben und keinen Krieg anzetteln. Ihre einzige Chance bestehe darin, das Vertrauen dieser Leute zu gewinnen. Hatte zumindest Humboldt gesagt.
    Hoffentlich war das die richtige Entscheidung.
    Oskar drehte den Kopf. Das Stimmengewirr wurde leiser. Auch die Klänge der Handwerksbetriebe und Maschinen blieben hinter ihnen zurück. Offenbar hatten sie das Zentrum der Stadt schon wieder verlassen. Besonders groß schien sie ja nicht zu sein. Oder war er zwischendurch wieder eingenickt? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Wie viele Stunden waren sie jetzt schon unterwegs? Wie viele Tage und Nächte unter größten Anstrengungen und nur mit einem Mindestmaß an Essen und Trinken? Zeit und Raum hatten sich zu einem undurchdringlichen Dschungel einander widersprechender Erinnerungen vermischt. Alles, was er sich wünschte, war, dass diese Tortur bald ein Ende haben möge und er endlich schlafen konnte.
    Endlos schlafen.
    Als sie anhielten, war es, als wären seine Gebete erhört worden. Er spürte, wie seine Bein- und Handschlaufen gelöst wurden, wie er fiel und von starken Händen aufgefangen wurde. Er hörte, wie man vor ihm eine Tür öffnete, ihn ein paar Schritte begleitete und ihn dann nach vorn stieß. Er stolperte, dann fiel er der Länge nach auf einen weichen, federnden Boden. Er spürte einen Luftzug, dann fiel krachend die Tür hinter ihm ins Schloss.
    Oskar fummelte an dem Sack über seinem Kopf. Er löste eine Schlaufe im Nacken, dann konnte er ihn runterziehen. Kühle Luft strich über seine verschwitzte Haut.
    Sein Gesicht brannte wie Feuer. Doch die Schürfungen waren ihm egal, solange er nur endlich wieder frei atmen konnte. Keuchend und ausgezehrt saß er in der Mitte eines annähernd kreisrunden Fußbodens und sah sich neugierig um.
    Er befand sich in einem kugelförmigen Raum, der einen Durchmesser von drei oder vier Metern aufwies. Die Wände bestanden aus einem zähen, undurchdringlichen Grasgeflecht, das mit einem korbähnlichen Gerüst aus biegsamen Ruten verwoben war. Der Boden war einigermaßen flach und aus demselben Material gefertigt. Es gab weder Fenster noch Öffnungen, sah man mal von der Tür, durch die man ihn gebracht hatte, und einem Loch im Boden, das offensichtlich eine Toilette darstellte, ab. Eine schmale Liege, auf der eine Decke aus grobem Leinenstoff lag, vervollständigte die spartanische Inneneinrichtung. Im Halbdunkel des Raumes gewahrte Oskar einen Teller und einen Krug.
    Endlich etwas zu essen.
    Wie ein halb verhungertes Tier stürzte er sich auf die trockenen Getreidetaler und das klare Wasser und verzehrte alles in Windeseile. Er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas so Gutes gegessen zu haben.
    Mit letzter Kraft kroch er auf die Liege, zog sich die Decke über die Füße und schloss die Augen.
    Nicht mal eine Minute später war er in einen tiefen Schlaf gesunken.

31
     
     
    Es war früh am nächsten Morgen, als Max Pepper mit einem steifen Nacken erwachte. Die Nacht war ausgesprochen kühl gewesen und der unebene Untergrund nicht eben dazu angetan, seinen ohnehin schon angeknacksten

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