Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser
schenken, das schwör ich Ihnen.« Sie kaute weiter auf ihrem Brot herum.
Max dachte eine Weile nach, dann sagte er: »Wir haben ein paar wirklich gute Ferngläser bei uns. Legen wir uns doch hier einfach auf die Lauer und beobachten ihn ein bisschen. Ist bestimmt besser, als gleich in die Höhle des Löwen zu spazieren.«
Doch die Söldnerin blieb uneinsichtig. Sie riss sich noch ein Stück Brot ab. »Humboldt ist dort drüben und wir werden ihm folgen. Mag sein, dass die Brücke für uns unpassierbar ist, aber es gibt noch einen anderen Weg.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Haben Sie sich nie gefragt, wie es Harry Boswell gelungen ist, unbemerkt an die Stadt heranzukommen?«
Max hob die Augenbrauen.
Sie nickte. »Ich habe entdeckt, wie er es gemacht hat.
Etwa zweihundert Meter von hier habe ich etwas gefunden, was Sie sehr interessieren dürfte. Packen Sie unser Zeug zusammen, dann zeige ich es Ihnen.«
Keine zehn Minuten später führte Valkrys Max zu einer Stelle, an der ein paar hölzerne Beine aus dem Unterholz ragten. Sie waren mit Metallschrauben zur Höhenverstellung versehen und verfügten über gummierte Füße. Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen.
Das waren nicht einfach irgendwelche Holzstäbe. Das waren die Beine eines Fotostativs. Harry Boswells alte Kamera!
Max beugte sich vor und hievte das schwere Teil aus dem Gestrüpp. Das Holzgehäuse war bis auf ein paar Schrammen und Matschflecken tadellos. Auch das Objektiv schien nichts abbekommen zu haben. Boswell musste sie in aller Eile versteckt haben. Vielleicht war er auf der Flucht gewesen. Das Gestell wog etliche Kilo und ohne Maultier hätte er es kaum über weite Strecken transportieren können.
Der Redakteur sah sich um. Am Boden lag verkohltes Holz, Überbleibsel eines ausgetretenen Feuers. Er fand einige Papierschnipsel, die Reste einer angekohlten Zeitung und eine leere Dose. Kein Zweifel: Der Fotograf war hier gewesen. Aber wann? Was hatte er hier getrieben und was war ihm zugestoßen, dass er seine wertvolle Kamera zurückgelassen hatte? Fragen über Fragen. Valkrys hatte ganz recht gehabt. Es war ein erster Anhaltspunkt. Zumindest würde er nicht mit leeren Händen heim nach New York kommen müssen.
»Wo bleiben Sie denn?«, erklang ein Ruf von links. Die Söldnerin war bereits weitergegangen und befand sich außerhalb seiner Sichtweite.
»Was ist mit der Kamera?«, rief er ihr zu. »Wollen Sie die hier etwa zurücklassen?«
»Später«, kam die Antwort. »Das hier ist wichtiger.«
»Aber ich dachte, die Kamera –«
»Jetzt lassen Sie doch den blöden Kasten und kommen Sie endlich.«
Verrücktes Weibsbild, dachte Pepper. Diese Söldnerin würde ihn noch ins Grab bringen. Ständig hielt sie ihn mit irgendwelchen riskanten Aktionen in Atem. Allerdings – und dieser Gedanke war neu – begann er sich langsam daran zu gewöhnen. Mehr noch: Die Sache begann, ihm Spaß zu machen. Er spürte, dass ihn die Entdeckerlust gepackt hatte.
Valkrys wartete hinter einer Kehre auf ihn. Sie stand am Rande eines Überhangs, der so unvermittelt aufhörte, dass man den Eindruck bekommen konnte, die Welt wäre dahinter zu Ende. Der Pfad beschrieb an dieser Stelle eine leichte Kurve und ging dann in eine beinahe senkrecht verlaufende Felswand über.
Langsam trat Max an die Abbruchkante und blickte hinunter. Großer Gott, war das tief! Er spürte, wie ihm schwummerig im Magen wurde. Sowohl der untere wie auch der obere Teil dieser immensen Wand verschwanden irgendwo in den Wolken. Das Gestein war außerordentlich glatt. Man konnte fast den Eindruck haben, eine gewaltige Felsplatte sei abgebrochen und in die Tiefe gestürzt. Angesichts der massiven Trümmer, die sie bei ihrer Ankunft unten im Tal gesehen hatten, lag er damit vermutlich gar nicht mal so falsch. Nur ein etwa fünfzig Zentimeter breiter Vorsprung war stehen geblieben. Er begann direkt vor ihren Füßen und erstreckte sich als Fortsetzung des Pfades bis in weite Ferne.
Pepper atmete tief ein. Auch wenn er noch nie selbst da gewesen war, so hatte er doch schon über so manche atemberaubende Naturlandschaft berichtet – angefangen beim Grand Canyon über die Niagarafälle bis hin zu den Rocky Mountains. Aber das hier übertraf einfach alles.
»Endstation«, murmelte er. »Wir müssen umkehren.«
»Irrtum, mein lieber Pepper«, sagte Valkrys und in ihren Augen war wieder dieses gefährliche Glitzern zu sehen. »Sie wollen doch wohl nicht etwa kneifen? Jetzt, wo der Spaß
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