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Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon

Titel: Chroniken der Weltensucher 02 - Der Palast des Poseidon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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stählerne Mann sie durch die Nacht, immer tiefer den Graben hinab.
     

     
    Der Schlick unter Oskars Füßen machte das Gehen beschwerlich. Jeder Schritt seiner schweren Bleisohlen wirbelte Schlamm auf. Er trübte die Sicht und ließ das Licht der Taschenlampe zu einem traurigen Glimmen verkümmern. Zum Glück half ihnen das diffuse Leuchten aus dem Graben bei der Orientierung, sonst wären sie gewiss binnen kurzer Zeit von ihrem Weg abgekommen.
    Irgendwo hinter ihnen war schwach die rundliche Form der Nautilus auszumachen, ihre letzte Verbindung zur Zivilisation. Ein Anflug von Panik überfiel Oskar, als er daran dachte, dass es vielleicht doch ein Riesenfehler gewesen war, die Kugel zu verlassen. Doch eigentlich waren solche Gedanken müßig. Selbst wenn die anderen das genauso sahen – für eine Rückkehr war es längst zu spät.
    Nach einer Weile endete das Schlickfeld. Der Untergrund wurde felsiger und die Sicht besser. Bleiche aalähnliche Fische schwammen zwischen den fußballgroßen Gesteinsbrocken herum, flohen aber, als der Lichtschein sie erfasste. Andere Lebewesen hingegen, die wie sandfarbene Kellerasseln aussahen, wurden von ihm angezogen. Oskar wich vor ihnen zurück, wenn sie ihm zu nahe kamen. Im Großen und Ganzen war die lichtlose Zone des Meeres jedoch längst nicht so dicht bevölkert, wie er befürchtet hatte. Ein paar Würmer, ein paar Tausendfüßler und Muscheln, das war alles. Schritt für Schritt kämpften sich die vier Abenteurer über den schwierigen Untergrund. Überall ragten Schiffsspanten empor. Zerborstene Rümpfe und Masten umgaben sie. Es war, als hätten sie einen Walfriedhof betreten.
    Wie waren sie nur in diesen Schlamassel geraten? An welchem Punkt ihrer Reise hatten sie einen Fehler begangen? Oder lag der Fehler darin, die Reise überhaupt angetreten zu haben? Schon damals in den Anden hatte es die eine oder andere Situation gegeben, bei der er sich für seinen Leichtsinn verflucht und sich zurück ins heimische Berlin gewünscht hatte. Aber das hier war schlimmer.
    Doch für eine Umkehr war es jetzt zu spät. Ihr Leben hing an einem seidenen Faden und es genügte nur ein kleiner Ruck, um sie für immer in ihr nasses Grab zu ziehen. Jeder Atemzug erinnerte ihn daran, dass sie nicht hierhin gehörten. Sie waren Fremde in einer fremden Welt, Eindringlinge in einem Kosmos, der für Menschen tödlich war.
    Schwer atmend setzte er seinen Weg fort. Die Bewegung tat ihm gut. Sie vertrieb die Kälte aus den Gliedern und schürte die Hoffnung auf ein gutes Ende, so unwahrscheinlich und aussichtslos das auch war.
     

     
    Wenige Minuten später erreichten sie den Abbruch. Er schien von riesenhafter Größe zu sein und erstreckte sich in beide Richtungen. Unzweifelhaft der Graben, in dem die Calypso verschwunden war.
    Ein rotes Licht schimmerte aus den Tiefen empor.
    Vorsichtig traten sie an die Kante und spähten nach unten. Océanne schaltete die Lampe aus. Oskars Augen benötigten eine Weile, um sich an die riesigen Dimensionen zu gewöhnen, doch dann sah er, was da unten war. Vor ihren Füßen tat sich ein tiefer Abgrund auf. Überall waren Lichter zu sehen. Rote, gelbe, grüne. Manche von ihnen standen still, andere bewegten sich. Der Boden des Grabens war eben und übersät mit weiteren Wracks. Oskar erkannte Masten, Rümpfe und Decksaufbauten. Da unten erstreckte sich ein wahres Labyrinth aus Schrottteilen. Er zählte die Rümpfe und kam auf über Hundert. Ein Schiffsfriedhof von gewaltigen Dimensionen. Die Lichter selbst stammten von Fahrzeugen, die zwischen den Trümmern hin und her fuhren und deren Suchscheinwerfer wie leuchtende Finger durch die Dunkelheit tasteten. Eine dieser Lichtquellen war besonders hell. Ein weit entfernter Komplex, der aus einer Vielzahl von Gebäudeteilen zu bestehen schien. Oskar glaubte, Kuppeln und Türme zu erkennen, doch es konnte genauso gut sein, dass ihm seine Sinne einen Streich spielten.
    An diesem Ort und in diesem Augenblick war alles möglich.
    Humboldt tippte ihnen auf die Schultern. Aufgeregt deutete er auf den Graben zu ihrer Rechten. Oskar versuchte, etwas zu erkennen, doch die schwierigen Sichtverhältnisse machten eine Orientierung beinahe unmöglich. Endlich glaubte er zu verstehen, was der Forscher ihm zeigen wollte. Es war die Calypso, gut zu erkennen an dem weißen Rumpf und den schlanken Deckaufbauten. Und sie bewegte sich. Wie eine Schnecke kroch sie über den Meeresboden, gezogen von einer riesigen Kreatur. Das Wesen sah

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