Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
viel Energie hätte er dem kleinen Wuschelkopf gar nicht zugetraut, aber man wusste ja nie, mit was für einem Menschen man es zu tun hatte, bis man ihn in einer Extremsituation erlebt hatte.
Humboldt führte Archers Stute am Zaumzeug durch das Labyrinth aus Kristallen hinaus zum Ausgang. Die anderen Tiere folgten ihm bereitwillig. Die grünen Glassäulen waren mittlerweile so hoch, dass sie selbst das wenige Tageslicht zu schlucken schienen. Während die Abenteurer sich ihren Weg bahnten, prasselten von oben immer wieder Brocken und Splitter von grünem Kristall auf sie herab. Sie hatten alle Mühe, nicht getroffen zu werden.
Wie durch ein Wunder erreichten sie unbeschadet den Rand des kristallenen Waldes.
»Und was jetzt?«, keuchte Patrick.
»Über die Brücke und zurück zu den Dogon«, sagte Humboldt. »Das ist unsere einzige Chance.« Patrick zog die Brauen zusammen. »Sie wollen, dass wir uns in die Hände des Feindes begeben?«
»Die Dogon sind nicht unsere Feinde.« Humboldt deutete auf die Kristalle. »Das da ist unser Feind. Wenn überhaupt eine Chance besteht, ihn zu besiegen, dann nur mit Hilfe der Dogon. Sie haben dieses Wesen schon einmal besiegt. Wilson hat das nicht verstanden, und nun sehen Sie, was für einen Schlamassel er angerichtet hat.«
Patrick nickte. »Einverstanden. Dann also auf zu den Dogon. Hoffen wir, dass sie mit sich reden lassen.«
Sie hatten die Brücke beinahe erreicht, als aufgeregte Stimmen von vorn zu hören waren. Schreie ertönten, dann fiel ein Schuss. »Was in Gottes Namen …« Max sah die Söldner umringt von etwa dreißig oder vierzig Dogonkriegern. Sie trugen Masken und ihre Speere sahen scharf und gefährlich aus. Die Söldner hatten ihre Gewehre gezogen und richteten sie auf die Krieger.
»Halt!« Humboldt erhob seine Stimme. »Sofort aufhören! Patrick, befehlen Sie Ihren Männern, sie sollen ihre Waffen niederlegen.«
»Aber …«
»Kein Aber. Tun Sie es, oder es gibt eine Katastrophe.«
»In Ordnung …« Patrick eilte zu seinen Leuten hinüber und redete mit ihnen. Er brauchte eine Weile, um ihnen die Situation klarzumachen, doch dann hatte er Erfolg.
Die Männer legten ihre Waffen ab und ergaben sich den Dogon. In diesem Moment trat ein alter Mann nach vorn. Er war in ein braunes Stofftuch gehüllt und stützte sich auf einen gewundenen Stab. Als er den Forscher sah, hellte sich seine Mine auf.
»Humboldt.«
»Ubirè!« Humboldt drückte Max die Zügel in die Hand und eilte auf den Mann zu. »Wie schön, Sie bei guter Gesundheit zu sehen.«
Der Alte wirkte sichtlich erfreut. »Als wir das große Donnern hörten, befürchteten wir das Schlimmste.«
»Um ein Haar hätten wir es nicht geschafft. Es ist weitaus schlimmer, als ich mir das vorgestellt habe, sehen Sie?« Er deutete über die Wipfel der Bäume, wo jetzt die Spitzen der Kristalle zu sehen waren. »Das Böse ist im Anmarsch, genau wie Sie prophezeit haben.«
Max wollte noch hören, was der Alte zu sagen hatte, doch in diesem Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. Hinter den Schilden einiger Krieger entstand Bewegung. Zwei Frauen drängten sich nach vorn.
»Siehst du das auch, Harry?« Er knuffte seinen Freund in die Seite. »Es sind Charlotte und Eliza! Komm, lass sie uns begrüßen.« Die beiden Männer drängelten sich durch die Söldner.
Es war ein herzliches Wiedersehen. Max hatte den Eindruck, dass Charlotte in dem Jahr noch mal ein Stück gewachsen und Eliza noch schöner geworden war. Selbst Wilma war wieder mit dabei. Es hätte ein glücklicher Augenblick werden können, wenn die Situation eine andere gewesen wäre. Doch das Rumpeln der Kristalle erinnerte sie daran, dass sie noch lange nicht außer Gefahr waren.
»Keine Zeit für Wiedersehensfreude«, sagte Humboldt. »Wir müssen zusehen, dass wir hier wegkommen. Patrick, führen Sie Ihre Männer über die Brücke. Außerdem müssen wir herausfinden, was aus Wilson geworden ist. Hat einer von euch ihn gesehen?«
»Ich glaube ja.« Charlotte nickte. »Kaum waren wir über die Brücke, als ein Mann angeritten kam. Er ritt wie der Teufel. An der Felskante vorbei und hinter unserem Rücken über die Brücke. Es gab nichts, was wir hätten tun können.«
Humboldt ballte die Fäuste. »Dann haben wir jetzt ein Problem mehr. Er trägt einen der Splitter des Kristalls bei sich. Wenn er es damit schafft, zurück nach England zu kommen, dann gute Nacht.«
»Überlassen Sie das mir, Sir«, sagte
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