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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Patrick. »Ich bin ein guter Reiter. Außerdem kenne ich Wilson recht gut. Ich weiß, wie er tickt. Geben Sie mir ein Gewehr, dann werde ich ihn zurückbringen.«
    »Sie können dabei auf mich zählen«, sagte Harry. »Ich habe mit dem Kerl noch ein Hühnchen zu rupfen.«
    »Und ich auch«, sagte Max, der nicht vergessen hatte, dass Wilson ihn beinahe ans Messer geliefert hätte. »Zu dritt sind unsere Chancen deutlich besser.«
    Humboldt nickte. »Dann soll es so sein. Schnappen Sie sich ein paar Pferde und Gewehre, und dann los. Er dürfte einen beträchtlichen Vorsprung haben. Und passen Sie auf sich auf.«
    »Keine Sorge«, sagte Max. »Wir schaffen das schon. Und Sie kümmern sich erst mal um Ihren Jungen. Apropos: Wo ist er denn eigentlich?«
    Alle drehten sich um.
    Oskar war verschwunden.

 
59
     
     
    Als Oskar sah, wie sein Vater und die anderen an der Brücke eintrafen, kehrte er um. Niemand bemerkte sein Verschwinden. Warum er zurückging, konnte er selbst nicht sagen. Er spürte, dass es richtig war. Es war diese Stimme, die ihn rief. Eine Stimme, zu mächtig, um sie zu ignorieren.
    Der Tempelbezirk war inzwischen vollkommen von Kristallen überwuchert worden. Der Regen glänzte auf den spiegelnden Oberflächen und erzeugte ein verwirrendes Muster aus Licht und Schatten. Immer wieder barsten einzelne der gläsernen Säulen, zerbrachen, splitterten und wuchsen erneut gen Himmel. Jedes Mal ein wenig größer, jedes Mal ein wenig machtvoller. Der Boden vibrierte unter den Füßen und die Luft war erfüllt vom Singen und Summen fremden Lebens. Auch ihm selbst war nach Singen zumute. Sein ganzer Körper schwang wie eine straff gespannte Saite. Das Gefühl war berauschend. Er spürte seine Arme und Beine kaum noch und sein Kopf war wie eine helle, weiße Wolke, die körperlos über den Boden schwebte. In seinen Gedanken gab es keine Worte und keine Ängste. Nur Klänge und Bilder. Visionen von fremden Welten, von Sternen und Planeten und der unendlichen Einsamkeit dazwischen. Er spürte das Wesen, sein Bedürfnis nach Harmonie und Gemeinschaft. Es suchte Nähe – nein, mehr als das: Es wollte mit ihm verschmelzen. So viele Tausend Jahre hatte es in völliger Einsamkeit verbracht, nur beherrscht von einem Gedanken: Nie wieder allein sein. Aus unendlicher Ferne war es gekommen. Unendlich lange hatte es gewartet.
    »Hallo, Oskar.«
    Die Stimme klang mächtiger als jemals zuvor. Es war die Stimme, die ihn vor den Hunden gerettet hatte.
    »Endlich hast du den Weg zu mir gefunden. Was ist geschehen, warum hat es so lange gedauert?«
    »Ich konnte nicht einfach alles stehen und liegen lassen«, erwiderte Oskar. »Ich war gebunden. Ich habe eine Familie.«
    »Eine Familie.« Das Wesen stieß eine Folge überirdisch schöner Laute aus. »Wie schön das klingt. Wer eine Familie hat, ist nie allein.«
    »Ja, das ist wahr. Aber eine Familie macht auch Probleme. Man kann nicht mehr tun und lassen, was man will. Es gibt Gesetze, Regeln. Immer muss man Rücksicht nehmen. Man könnte die anderen ja verletzen.«
    »Wie wahr, wie wahr. Eine schwere Bürde. Aber darüber brauchst du dir fortan keine Gedanken mehr zu machen. Ich bin jetzt deine Familie und mich kann man nicht verletzen.«
    Oskar trat an den mächtigsten der grünen Kristalle und legte seine Hände auf die Oberfläche. Obwohl das Glas hart und spröde war, versank er bis zu den Ellenbogen in der fremden Materie.
    »Spürst du die Gemeinschaft?«
    Oskar nickte. Plötzlich hatte er das Gefühl, von Menschen umringt zu sein. Viele von ihnen hatten schwarze Haut und waren klein. Kleiner noch als er selbst. Sie trugen bunte Hosen und Hemden sowie spitze Kappen, die entfernt an Zipfelmützen erinnerten. Sie umringten ihn und berührten ihn mit ihren Händen. Neugierig sahen sie ihn an. Das müssen die Tellem sein, schoss es ihm durch den Kopf. Das Volk, das den Kristall einst aus der Sahara hierhergebracht hatte. Wie freundlich sie aussehen, fast wie Kinder. Doch Oskar erkannte auch weiße Menschen. Stolze, hochgewachsene Männer und Frauen in hellen Gewändern. Sie trugen Hacken, Schaufeln und Bücher in ihren Händen und unterhielten sich angeregt miteinander. Oskar erkannte den Prior, der ihm freundlich zuwinkte. Dann war da noch ein anderer Mann. Er war braun gebrannt und trug eine sandfarbene Jacke und eine Hose mit vielen Taschen. Ein breitkrempiger Hut saß auf seinem Kopf und auf der Nase hatte er eine Brille, hinter der intelligente und neugierige Augen

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