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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Warten war einfach nicht sein Ding. Schon gar nicht auf solch unheimliche Gäste.
    »Und wenn sie nicht kommen?«
    Der Forscher zuckte mit den Schultern.
    Oskar schüttelte den Kopf. Ihm war ganz und gar nicht wohl dabei, dass sie die Fackeln entzündet hatten. Den Lichtschein würde man über Kilometer hinweg sehen. Nicht nur dass sie sich unerlaubt in den Palast geschlichen hatten, warum nur mussten sie ausgerechnet hier in der Schatzkammer warten? Das war nun bei Weitem der unheimlichste Ort auf dem gesamten Palastgelände.
    Oskar hatte nicht die geringste Lust, diese Kreaturen wiederzusehen. Was hatte der Forscher ihnen schon groß anzubieten? Hier war doch nichts. Und wenn doch, was, wenn sie nicht zufrieden waren? Auf keinen Fall würde er ihnen als Gefangener zurück in diese Unterwelt folgen.
    Zum ersten Mal seit sie aufgebrochen waren, verspürte Oskar ernsthafte Zweifel.
    Auf einmal erschienen zwischen den Bäumen Lichter. Der Forscher ergriff seinen Stock und trat vor seine Freunde.
    »Ich glaube, es ist so weit.«
    Lilienkron trat neben ihn. »Die Anak?«
    »Nein.« Humboldt schüttelte den Kopf. »Es ist König Bhamban, und wie ich sehe, ist er nicht allein.«
    »Ich habe doch gesagt, es ist ein Fehler, Fackeln zu entzünden«, zischte Oskar. »Jetzt haben wir den Salat.«
    Humboldt beachtete ihn gar nicht.
    Lilienkron hingegen schien genauso aufgeregt zu sein wie er. »Halten Sie lieber Ihr Gewehr griffbereit, Professor«, sagte Oskar. »Es könnte durchaus unangenehm werden.«
    Der Gelehrte schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, mein Junge. Ich habe deinem Vater versprochen, nichts Unüberlegtes zu tun. Es ist sein Plan, nicht meiner. Soll er ihn auch zu Ende führen.«
    »Aber …«
    »Ich habe genug gesehen, um ihm zu vertrauen«, sagte Lilienkron. »Und das solltest du auch, mein junger Freund. Ich gebe es nicht gerne zu, aber dein Vater ist ein fabelhafter Kerl.« Er klopfte Oskar auf die Schulter.
    Oskar schwieg. Wenn dieser Mann so viel Vertrauen in seinen Vater setzte, warum konnte er selbst das nicht? Lag es daran, dass er so viele Jahre sein eigener Herr gewesen war?
    Verlass dich auf jemanden und du bist verlassen, so hatte sein Wahlspruch viele Jahre lang gelautet. Es war verdammt schwer, ausgerechnet in einer solchen Situation davon Abstand zu nehmen.
    »Darf ich Sie mal was fragen?«, wandte er sich an Lilienkron.
    »Aber natürlich, mein Junge.«
    »Weswegen haben Sie und Vater sich eigentlich so entzweit? Sie verfolgen doch dieselben Ziele. Und so, wie sie am Anfang aufeinander losgegangen sind …«
    Lilienkron blickte einen Augenblick verwundert, dann lachte er. »Das weißt du nicht? Hat er es dir denn noch nicht erzählt?«
    »Nein.«
    »Es ging um einen Käfer.«
    »Einen Käfer …?«
    »Phengodida Lilienkronensis, um genau zu sein.« Lilienkron putzte seine Brille. »Der langbeinige Federleuchtkäfer. Eine in Südamerika verbreitete Art, die in dichten Dschungeln beheimatet ist.«
    »Ein Glühwürmchen?«
    »So in etwa, ja. Aber ein besonders schönes Exemplar. Mit fein geschwungenen Beinpaaren und langen gefiederten Fühlern.«
    »Aber wie …?«
    »Humboldt und ich trafen uns zum ersten Mal westlich der Stadt Manaus. Er war dort, weil er einen geheimnisvollen Indianerstamm suchte, ich, weil ich der Frage nachging, warum die Flussdelfine nur im Oberlauf des Amazonas existieren. Wie auf solchen Expeditionen üblich, hatte jeder von uns diverse Tier- und Pflanzenproben gesammelt, und wie es der Zufall so wollte, hatten wir unabhängig voneinander eine bisher unbekannte Art von Leuchtkäfern entdeckt. Leider muss ich gestehen, dass Humboldt diesen Käfer ein paar Tage vor mir entdeckt hatte. Doch auf der Rückreise gab es Probleme mit seinem Schiff. Er kam eine Woche nach mir in Berlin an. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich den Käfer bereits klassifiziert und ordnungsgemäß angemeldet. Weshalb er heute meinen Namen trägt.« Er grinste.
    Oskar glaubte sich verhört zu haben. »Sie … Sie haben sich wegen eines Käfers gestritten?«
    »Mein lieber Junge, in der Wissenschaft ist es wie in der wirklichen Welt: Vielleicht wird sich in hundert Jahren niemand mehr an meine geologischen Forschungen erinnern, der Name dieses prächtigen Tieres aber bleibt.«
    »Es ist ein Käfer.«
    »Heute ein Käfer, morgen vielleicht ein neuer Planet. Wer kann schon wissen, was die Zukunft für einen bereithält? Es geht ums Prinzip: Wer die Nase vorne hat, gewinnt. Aber jetzt still. Sie sind da.«
    Oskar

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