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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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konnte nur bedeuten, dass Lena bereits geopfert worden war. Oskar reckte den Hals. Verzweifelt versuchte er, seine Freundin ausfindig zu machen, doch sie war nicht dabei.
    Sie warteten, bis die Patrouille vorbeigezogen war, dann gingen sie zurück auf die Straße. Niemand sprach ein Wort.
    Die letzten Kilometer legten sie im Laufschritt zurück. Der Regen ließ nach und hörte schließlich ganz auf. Das Unwetter war weitergezogen. Fern am Horizont zuckten immer noch Blitze. Sie verließen die Straße und folgten der Spur, die die Elefanten im Gras hinterlassen hatten. Sie waren jetzt so weit vom Dorf entfernt, dass sie es wagten, die Induktionslampen anzumachen. Das Prinzip war höchst einfach. Ein Magnet, der an einer Induktionsspule vorbeiführte, wurde mithilfe einer Kurbel in Rotation versetzt und erzeugte dabei so viel Strom, dass damit eine kleine Glühlampe betrieben werden konnte. So konnte man sich immer und überall seinen Strom selbst herstellen. Der Nachteil war natürlich, dass man die Lampe alle zehn Minuten wieder aufladen musste.
    Als sie die Schlucht erreichten, waren sie völlig aus der Puste. Dunkel und geheimnisvoll lag der Graben vor ihren Füßen. Die Lampen geschultert, die Waffen im Anschlag, fingen sie mit der Suche an.
    Es dauerte nicht lange, bis sie die Opferstelle fanden. Ein etwa drei Meter hoher Baumstamm, den man notdürftig von Ästen und Zweigen befreit und in die Erde gerammt hatte. Ein paar zerrissene Stricke lagen am Boden. An einem von ihnen war Blut zu sehen. Entsetzt begannen die Freunde die Umgebung abzusuchen. Wie so oft war Charlotte die Erste, die etwas fand. »Hier«, rief sie. »Kommt schnell her.«
    Vor ihr im Gras lag ein Schmuckstück. Bernstein mit Goldfassung. Lenas Haarspange.
    Der Boden rundherum war bedeckt mit Hufabdrücken. An einer bestimmten Stelle führten die Spuren die Böschung hinab. Humboldt zögerte keinen Moment. Mit zusammengepressten Lippen rutschte er den Abhang hinunter. Die anderen folgten ihm.
    Oskars Herz schlug bis zum Hals. Gestern erst waren sie hier gewesen, doch da war es hell und die Schlucht weniger bedrohlich. Jetzt, in der Nacht, schienen von überall her Schatten auf sie einzudringen.
    Sie brauchten nicht lange, um die trichterförmige Öffnung im Boden zu finden. Im Schein der Induktionslampen sahen sie die Stufen in der Tiefe. Ein breiter Streifen matschiger Fußabdrücke führte hinunter.
    Humboldt wischte die Feuchtigkeit aus seinem Gesicht, dann rutschte er den Abhang runter. Es gab ein kurzes Poltern, dann war er verschwunden. Oskar bezwang seine Angst, sprach ein kurzes Gebet und folgte seinem Vater.

 
28
     
     
    Dunkelheit umfing ihn. Feuchte, muffige Dunkelheit. Als würde man in einen Keller hinabsteigen oder in eine Gruft.
    Die Stufen waren alt. An manchen Stellen fehlten Steinplatten, andere waren weggebrochen oder verrutscht. Dann wieder kamen Stellen, an denen nie Trittstufen gelegen hatten. Da war nur nackter Fels – zerfurcht, kantig, unbehandelt.
    Die Deckenhöhe betrug etwa zwei Meter fünfzig, was bei der Länge, über die dieser Gang sich erstreckte, eine beträchtliche Höhe war. Schächte in Kohlebergwerken maßen in der Regel nur eins zwanzig, weshalb man früher vorzugsweise Kinder unter Tage geschickt hatte. Zwei Meter fünfzig also, das war bemerkenswert. Mindestens ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, wie lang dieser Tunnel war. Steil abfallend, in einem Winkel von vielleicht zwanzig Grad, wand er sich über Treppen, Gesteinsplatten und Lavafelder. Die Gesteinsfarbe wechselte zwischen schwarz, grau und rot. An manchen Stellen traten schimmernde Kristalle hervor, die im Licht der Lampen geheimnisvoll glitzerten.
    Unbeirrt von der Schönheit der Mineralien, marschierten sie weiter. Im Schein der umherzuckenden Lichtstrahlen drangen sie tiefer und tiefer in das geheimnisvolle Reich vor. Ihre Füße warfen ein Echo gegen die Wände. Oskar konnte seinen eigenen Atem hören. Niemand sagte ein Wort.
    Nach einer Stunde gingen sie langsamer. Der Schacht schien endlos. Wie viele Stufen hatten sie jetzt schon zurückgelegt? Es mussten Hunderte sein, Tausende. Oskar spürte, wie seine Konzentration nachließ. Ein Sturz hätte vermutlich schmerzhafte Konsequenzen gehabt. Die Stufen waren scharfkantig und sahen aus, als würde man sich mehr als nur Schürfwunden zuziehen. Oskar riskierte einen kurzen Blick nach hinten. Nichts. Er hatte geglaubt, ein Geräusch gehört zu haben. Aber wahrscheinlich war das nur

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