Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
bestimmte Sorte schwarzer Pilze, deren bewusstseinsverändernde Wirkung als Grundlage für eine Vielzahl von Tränken und Pulvern benutzt wurde. Mixturen, die den Betreffenden entweder in die Zukunft oder die Vergangenheit blicken ließen. Sie waren nicht ganz ungefährlich und man sollte sie nur unter fachkundiger Anleitung einnehmen. Der Duft dieses Pilzes hier war ähnlich: stark und süßlich. Eliza spürte, wie ihr der Kopf zu schwirren begann und sich in ihrem Inneren ein kleines Feuerwerk entzündete. Wilma sah sich neugierig um. Das Licht war hier zwar deutlich gedämpfter, aber die Helligkeit genügte, um sich zu orientieren. Weiche Lamellen kleideten die gesamte Innenseite aus und machten den Pilz zu einer gemütlichen, warmen Wohnhöhle. Wenn man hier drin mal richtig lüftete, konnte daraus ein durchaus brauchbares Quartier werden.
Eliza lehnte sich zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. Wie gemütlich es hier war. Am liebsten hätte sie die Augen zugemacht und ein wenig geschlafen, doch in diesem Moment erklang von irgendwoher ein dumpfes Dröhnen. Der Boden erzitterte. Es fühlte sich an wie ein Erdbeben.
Eilig kroch sie aus der Höhle. Ihr Instinkt registrierte eine Bedrohung. Etwas sagte ihr, dass hier jeden Moment etwas Ungewöhnliches geschehen würde.
37
Lena hielt den Atem an. Die Burg war anders als alles, was sie jemals gesehen hatte. Rechts und links davon ragten riesige Steinköpfe aus dem Wüstensand. Steil aufragende Obelisken säumten das etwa fünf Meter hohe Portal, dessen Seiten mit schauerlich anmutenden Steinmetzarbeiten geschmückt waren. Lena erkannte verzerrte Leiber und aufgerissene Münder, Drachen, Schlangen und anderes Getier.
Sie musste tief durchatmen. Die Szenen hätten den Illustrationen Gustave Dorés entsprungen sein können, doch die Reliefs sahen aus, als könnten sie jeden Augenblick zum Leben erwachen.
Hinter dem Burgwall befand sich ein schmaler Ring unbebauten Geländes, der mit Ställen und Werkstätten gesäumt war und von dem aus eine steile Rampe hinauf zur Festung führte.
Das Bauwerk war direkt aus dem massiven Fels herausgeschlagen worden. Türme, Bögen, Erker, alles bestand aus Felsgestein. Dahinter schimmerten unheilvolle Lichter. Die Burg schien aus Hunderten von Gängen und Räumen zu bestehen, die sich wie Ameisenstollen ins Gestein wanden. Ihre Flanke war so gewaltig, dass sie sich nach oben hin im roten Dämmerlicht verlor. Seltsame Flugwesen umkreisten die Turmspitzen. Ob es sich um Vögel oder Reptilien handelte, war nicht zu erkennen, doch sie besaßen erstaunliche Ähnlichkeit mit Flugsauriern, obwohl diese ja längst ausgestorben waren. Die Tiere durchkreuzten mit krächzenden Lauten den Himmel, während ihre Flughäute in tiefem Rot schimmerten.
Das Hauptportal war ein bedrohlicher Schlund, hinter dem weitere Treppenstufen und schräge Rampen zu erkennen waren. Beleuchtet wurden sie von Fackeln und brennenden Ölfeuern. Ein paar Sklaven huschten durch die Dunkelheit, ihre Köpfe in Demut gesenkt. Waren das Menschen? Vielleicht war sie ja nicht das einzige menschliche Wesen in diesem Gebäude. Der Gedanke hatte etwas Tröstliches.
Ihr Blick wurde von den mächtigen Wächtern angezogen, die den Eingang flankierten. Ihre gekreuzten Lanzen endeten in gekrümmten Spitzen aus schwarzem Metall. Finster blickten sie ihr entgegen, während sie durch das Portal getrieben wurde.
Lenas Hoffnung sank auf den Nullpunkt. Selbst ein Narr konnte erkennen, dass diese Festung uneinnehmbar war.
Eine eigentümliche Anspannung lag in der Luft. Die Fluginsekten waren verschwunden. Nicht der kleinste Brummer war mehr zu sehen. Elizas Blick ruhte auf einem kleinen Tümpel unweit ihrer Position. Der Teich war bis zum Rand mit bläulich schillerndem Wasser gefüllt und wurde geheimnisvoll von den umgebenden Leuchtpflanzen erhellt. Die Oberfläche sah aus wie ein perfekter Spiegel, der aber plötzlich trübe zu werden begann. Luftbläschen traten hervor und sprudelten wild durcheinander.
Eliza neigte den Kopf. Irgendetwas Seltsames ging hier vor. Die Blasen wurden immer dicker, spritzten hoch und strömten wild schäumend über den Rand des Beckens. Dann, mit einem Mal, brach die Wasseroberfläche auf und schoss als ungeheurer Strahl hell schäumenden Wassers aus den Tiefen herauf zur Decke, wo sie in einer kreisrunden Öffnung verschwand. Eine Wand weiß brausender Gischt verdeckte den hinteren Teil der Höhle. Es donnerte und
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