Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
rauschte. Der gesamte Berg erzitterte unter dem Ansturm der Fluten. Wassertropfen sprühten durch die Luft und benetzten Elizas Haut und Haare. Ein heftiger Windstoß fuhr ihr ins Gesicht und trieb ihr die Tränen in die Augen.
Eliza wich zurück. Es war ein Wunder, ein wirkliches und wahrhaftiges Wunder. Mit einem Aufschrei drehte sie sich um und rannte zurück.
Sie hatte die Höhle etwa zur Hälfte durchquert, als vor ihr im Dämmerlicht vier Gestalten erschienen. Einen kurzen Moment hielt sie erschrocken inne, dann sah sie, dass es sich um ihre Gefährten handelte. Oskar und Humboldt waren also zurück! Eliza hob die Arme und winkte ihnen zu. Die beiden wirkten müde und abgekämpft. Besonders Oskar schien völlig erschöpft zu sein. Seine Haare waren sandig, seine Haut mit einer Schicht roten Staubes überzogen. Eliza eilte auf sie zu und schloss sie in die Arme.
»Ich freue mich so, euch wiederzusehen«, sagte sie und lachte. Ihr war erst jetzt aufgefallen, dass ihre Kleider völlig durchnässt waren. »Tut mir leid, dass ich nicht zu eurem Empfang erschienen bin. Dafür habe ich etwas entdeckt. Kommt mit, es wird euch gefallen.«
Das Wasser war verschwunden. Wo eben noch ein Teich gewesen war, klaffte nun ein tiefes Loch. Unten am Grund konnte man erkennen, dass es sich langsam wieder mit Wasser zu füllen begann. Humboldt trat an den Rand der Öffnung und blickte hinunter. In wenigen Worten erzählte Eliza, was sich zugetragen hatte. Sie zeigte den Forschern den hohlen Pilz und berichtete dann vom Ausbruch des geheimnisvollen Tümpels. Lilienkron und Humboldt umrundeten die Öffnung wie zwei Katzen eine Schale Milch. Der Boden rundherum war mit Wasser getränkt. Humboldt schöpfte etwas davon auf seine Hand und kostete es. »Mmh«, sagte er. »Kohlensäurehaltig.«
Alle probierten davon. »Es kitzelt«, sagte Charlotte. »Fast wie Sodawasser.«
»Es ist Sodawasser, meine Liebe«, sagte Humboldt. »Und zwar in seiner reinsten und klarsten Form. Liebe Eliza, ich glaube, du bist auf einen Kaltwassergeysir gestoßen. Eine ausgesprochen seltene Form des Geysirs, die nur unter besonderen Umständen in der freien Natur auftritt, habe ich recht, Professor?«
Lilienkron nickte. »Ein normaler Geysir entsteht durch Dampfbildung«, sagte er. »Wasser stößt im Untergrund auf eine heiße Gesteinsschicht, erwärmt sich bis zum Siedepunkt, verdampft und wird dann durch den entstehenden Druck nach oben gepustet. Draußen kühlt es ab, strömt zurück und das Spiel beginnt von Neuem. Bei einem Kaltwassergeysir funktioniert das etwas anders. In einem Hohlraum sammelt sich so lange kohlendioxidhaltiges Wasser, bis die Menge einen kritischen Punkt erreicht, an dem kein Gas mehr gelöst werden kann und das Wasser CO 2 -gesättigt ist. Nun beginnt das überschüssige CO 2 nach oben zu steigen und gerät so unter geringere Druckverhältnisse. Die Gasbläschen nehmen dadurch an Volumen zu, dehnen sich aus und verdrängen das Wasser. Der Geysir beginnt überzulaufen und der Druck der Wassersäule nimmt geringfügig ab, was dazu führt, dass weiteres CO 2 aus dem Wasser entgasen muss. Es steigt ebenfalls nach oben und verdrängt das Wasser aus dem Brunnen. Dieser Dominoeffekt führt zu einer immer rasanteren Entgasung, bei der die aufsteigenden, mehrere Meter langen Gasblasen das Wasser mit sich in die Höhe reißen. Ist der Brunnen durch die Eruption geleert, beginnt der Zyklus von Neuem. Tatsächlich ist die Funktionsweise ähnlich der einer Sodaflasche, die unter Druck steht und die man mit einem Ruck öffnet.«
Er nahm noch eine Handvoll und schlürfte sie leer. »Tja, ich glaube, unsere Wasserprobleme sind damit behoben.«
»Wohin ist das Wasser entschwunden?«, fragte Charlotte und blickte nach oben. Aus der Öffnung tropfte es immer noch.
»Wer weiß«, erwiderte Humboldt. »Der Tunnel scheint sehr lang zu sein. Vermutlich strömt das Wasser durch irgendwelche unterirdischen Kanäle wieder zurück in den Teich. Seht nur, das Bassin unten beginnt sich schon wieder zu füllen. Ich schätze, noch eine gute halbe Stunde, dann dürfte es wieder voll sein.« Er legte seine Tasche und die Armbrust ab. »Auf jeden Fall ist es ein geeigneter Ort, um sich zu erholen. Wir werden essen, schlafen und reden. Es gibt viel zu berichten.«
Eliza hörte aufgeregt zu, als Oskar und Humboldt von ihrer Begegnung mit dem Sklavenmädchen berichteten. Es war eine Geschichte voller Schrecken und Entbehrungen, aber auch
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