Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels
Kollegen mich jetzt hier sehen könnten.«
Eliza musste lächeln. Seit sie dem Gelehrten zum ersten Mal begegnet war, hatte sie ihn nicht so befreit und fröhlich gesehen.
Oskar rannte in geduckter Haltung zu der Stelle, an der er zuletzt die Arbeiter gesehen hatte. Hier lagen besonders viele von den mächtigen Steinquadern herum. Die Felswand dahinter leuchtete wie frisches Blut. Ein paar der Blöcke waren auf einen primitiven Holzschlitten geschoben worden und warteten darauf, auf eines der Echsenfuhrwerke verladen zu werden. Im Boden sah man Abdrücke von Füßen und Hufen.
Das Knallen der Peitschen wurde lauter. Vorsichtig um die Ecke spähend, sah er, wie die Sklaven wieder zurück an die Arbeit getrieben wurden. Eine Gruppe von Männern und Frauen kam auf ihn zu. Begleitet wurden sie von einem Geschöpf, wie es bedrohlicher kaum aussehen konnte. Ein riesiger Kerl, mehr breit als hoch, mit einem Satz gekreuzter Schwerter auf seinem Rücken. Seine Haut war nackt und schuppig wie bei einem Reptil, sah man mal von einem Büschel Fell zwischen den Schultern ab. Brust und Rücken waren über und über mit Narben übersät. Kein Zweifel, genau so hatte das Ding im Tunnel ausgesehen. In der einen Hand hielt die Kreatur einen mehrfach gezackten Schild, in der anderen eine Bullentreiberpeitsche, die sie von Zeit zu Zeit über den Köpfen der Sklaven knallen ließ. Ein kurzes Stück den Hügel hinunter standen einige ihrer Artgenossen. Einer von ihnen war deutlich älter. Er besaß ein graues Fell, ein schwarzes faltiges Gesicht und lange, spitze Zähne. Der Kerl daneben war ungeheuer dick. Er hatte breite Schädelknochen und einen Hängebauch. Tierknochen baumelten an Lederriemen um seinen fetten Leib. Seine Ohren, Lippen und Brustwarzen waren mit Ketten und Ringen durchbohrt, die beim Gehen klirrten. Auf seinen Schultern trug er schwarze Tätowierungen: Schlangen, Drachen, Sterne sowie abstrakte Symbole.
Oskar spürte, wie ihm das Herz in die Hose rutschte. Die Gruppe war nur noch zwanzig Meter von ihm entfernt. Was sollte er tun?
Aus Ermangelung eines besseren Plans verließ er die Deckung und huschte in Richtung der Felswand. Dort lagen Dutzende kleinerer Steine herum, die allesamt roh und unbehauen waren. Er kauerte sich nieder und versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Jetzt würde sich zeigen, was der Chamäleonanzug zu leisten vermochte. Ausgerechnet am Schlitten hielt die Gruppe an. Sieben Personen, vier Männer und drei Frauen. Die Jüngste war ein Mädchen von vielleicht zehn oder elf Jahren. Sie hatte lange schwarze Haare und ein Kleid, das schmutzig und zerschlissen war. Ihre Haut war rot vom Staub der Wüste. Der Vorarbeiter ließ seine Peitsche knallen und schrie die Gefangenen mit tiefer und heiserer Stimme an. Auch wenn Oskar seine Worte nicht verstand, so war doch klar, was er wollte. Die vier Männer packten die Seile, während die jungen Frauen sich hinter den Schlitten stellten und schoben. Sie keuchten vor Anstrengung. Das kleine Mädchen wollte mithelfen, wurde von dem Vorarbeiter jedoch zur Seite gestoßen. Offenbar konnte er keine Kinder bei dieser Arbeit gebrauchen. Die Wangen des Mädchens waren eingefallen, ihre Augen groß wie Murmeln. Mit kraftlosen Bewegungen setzte sie sich unweit von Oskar auf einen Stein und fing an, in ihrem Umhängebeutel zu kramen. Sie zog ein Stück Brot und eine Wasserflasche heraus, während sie dabei zusah, wie die anderen den zentnerschweren Schlitten ins Tal bugsierten. Das Knallen der Peitsche wurde langsam leiser.
Oskar wagte wieder zu atmen. Unter seinem Tarnanzug war er schweißgebadet. Dass man ihn bisher nicht entdeckt hatte, grenzte beinahe an ein Wunder.
Er richtete sich auf und stieß einen leisen Pfiff aus.
»He, du«, rief er dem Mädchen zu. »Kannst du mich hören?«
Die Kleine zuckte zusammen. Das halb gegessene Brotstück in der Hand, versuchte sie herauszubekommen, wer da eben gesprochen hatte. Sie drehte den Kopf mal hierhin, mal dorthin, schien aber nichts zu erkennen.
»Hier drüben.« Oskar wedelte mit der Hand. Das Mädchen blickte genau in seine Richtung, sah ihn aber immer noch nicht. Wie war das möglich?
Er stand auf und zog seine Kapuze vom Kopf. Sand und Staub rieselten von seinen Haaren. Er schüttelte sich, dann versuchte er, ein möglichst freundliches Lächeln aufzusetzen.
»Hallo«, sagte er. »Mein Name ist Oskar.«
Die Augen des Mädchens wurden noch größer. Sie sah aus, als habe sie ein Gespenst
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