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Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels

Titel: Chroniken der Weltensucher 04 - Der Atem des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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voller Hoffnung und Wünsche. Wie es schien, belief sich die Zahl der Entführten, die von den Steinernen über die Jahre verschleppt worden waren, auf mehrere Hundert und immer noch kamen neue dazu. Viele waren inzwischen gestorben, doch die meisten lebten und hofften, eines Tages wieder zurückzudürfen. Die Menschen wurden zum Straßenbau eingesetzt, zur Errichtung von Grabstätten und Tempeln und zum Ausbau der Festung. Dort, so hatte Nijang ihnen berichtet, zogen sich Hunderte von Stollen und Tunnels durch das Gestein. Manche von ihnen so lang, dass sie bis zur Erdoberfläche reichten. Die Steinernen hatten sich die Welt Untertan gemacht. Sie hatten die Kreaturen der Tiefe gezähmt und zu ihren Zwecken abgerichtet. Sandwühler, Erdwälzer und die mächtigen Feuerechsen. Einzig die wilden Sandhaie ließen sich nicht beherrschen, doch die Steinernen waren furchtlose Kämpfer.
    So schrecklich das Schicksal der Sklaven auch war, es wurde von ihrer Hoffnung auf Befreiung überstrahlt. Es ging das Gerücht, dass der Tag kommen würde, an dem der Fluch endete und sie alle wieder in ihre Dörfer zurückdürften. Diese Hoffnung hielt sie am Leben. Doch wann dieser Tag kommen würde – ob er überhaupt jemals kam –, das wusste niemand.
    »Was war mit dieser Festung?«, fragte Eliza. »Könnte es sein, dass Lena dorthin gebracht wurde?«
    »Möglich«, sagte Oskar. »Sie liegt etwa eine halbe Stunde in nordwestlicher Richtung. Der Kompass funktioniert hier unten zwar nicht, aber wir haben uns die Richtung erklären lassen. Nijang erzählte uns, dass das Bauwerk uneinnehmbar ist und dass es inmitten einer steil aufragenden Felswand liegt. Jeder einzelne Gefangene wurde anfangs dorthin gebracht. Sie bleiben so lange dort, bis man entschieden hat, was mit ihnen geschieht. Ich denke, wir sollten unsere Suche dort beginnen.«
    Charlotte blickte skeptisch. »Gibt es denn eine Möglichkeit, sie dort herauszuholen?«
    »Es dürfte ein hartes Stück Arbeit werden, so viel ist sicher«, sagte Oskar. »So wie Nijang uns das Gebäude beschrieben hat, ragt es senkrecht in die Höhe und ist viele Hundert Meter hoch. Trotzdem. Wir müssen es versuchen.«
    Außer Lilienkron waren alle einverstanden. Der Gelehrte war nicht so euphorisch. »Wie sollen wir uns der Festung ungesehen nähern? So wie ich das verstanden habe, gibt es keine Möglichkeit, sich anzuschleichen. Dort ist alles voller Wachposten.«
    »Guter Einwand«, sagte Humboldt. »Die Frage liegt auf der Hand. Sollen wir einfach drauflosmarschieren oder es lieber mit einer List versuchen? Diese Steinernen scheinen beinharte Kämpfer zu sein. Sie haben den Sandhai binnen weniger Minuten erledigt. Und ihr wisst, was das für ein Monstrum war.«
    »Sie sind bis an die Zähne bewaffnet und gut trainiert«, sagte Oskar. »Schilde, Speere, Schwerter, es gibt nichts, was sie nicht beherrschen. Ihnen offen entgegenzutreten wäre Wahnsinn.«
    »Und was schlägst du vor?«, fragte Lilienkron.
    »Wir sollten uns verkleiden«, erwiderte Oskar.
    Lilienkron hob den Kopf. »Ich habe mich wohl verhört.«
    »Doch, doch«, sagte Oskar. »Es ist mein Ernst.«
    »Und als was? Als Steine?«
    »Nein. Als Sklaven.«
    »Blödsinn.«
    »Lassen Sie den Jungen ausreden«, sagte Humboldt. »Zuerst mal wollen wir hören, was er zu sagen hat.«
    »Meinen Vater werden wir als Aufseher verkleiden, er ist der Größte von uns. Er bekommt eine Lanze, Fell, Hörner und eine Peitsche. Damit ziehen wir dann in Richtung Festung.«
    Der Gelehrte stieß ein Lachen aus. »Humboldt einer der Steinernen? Das ist fürwahr ein Anblick, den ich gerne sehen würde. Aber wie soll das funktionieren? Vergiss nicht, es gibt gewisse anatomische Unterschiede zwischen uns und ihnen. Die Steinernen werden den Braten von Weitem riechen.«
    »Nicht, wenn wir uns Mühe geben«, widersprach Oskar. »In Sachen Verkleidung kenne ich mich aus, das können Sie mir glauben. In Berlin habe ich so ziemlich alles gespielt, was man sich vorstellen kann: Boten, Hausangestellte, Briefträger und Dienstpersonal. Eine Zeit lang war ich sogar als Mädchen unterwegs. So lange, bis Lena zu uns gestoßen ist, sie beherrschte den Job wesentlich besser.«
    Charlotte schüttelte den Kopf. »Weil sie ein Mädchen ist, du Dummkopf.«
    »Eben.« Oskar grinste. »Was ich damit sagen wollte: Wir finden hier alles, was wir brauchen, um eine richtig überzeugende Verkleidung herzustellen. Aus einer Bambusstange fertigen wir eine Lanze, aus einer Ranke eine

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