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Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schmerzerfülltes Keuchen war zu hören, dann nahm Humboldt die Verfolgung auf. Mit seinem wehenden Mantel sah er aus wie ein schwarzer Rabe. Oskar ging in den hintersten Teil des Raumes und nahm seinen ganzen Mut zusammen.
    Â»Du armer Irrer«, keuchte er. »Du wirst sterben. Zerschmettert unten auf dem Straßenpflaster zwischen Ratten und alten Flaschen.« Doch für Zweifel war es jetzt zu spät. Er nahm Anlauf und rannte los, so schnell ihn seine Beine trugen.
    Wie im Traum sah er das zerborstene Glas im Fensterrahmen, die Mülltonnen unten im Durchgang, das schmiedeeiserne Gitter, das auf ihn zugerast kam. Der Wind wehte ihm ins Gesicht.
    Dann schlug er auf.
    Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen. Seine Füße verloren den Halt. Um ein Haar wäre er abgestürzt, doch es gelang ihm gerade noch rechtzeitig, das Geländer zu packen und sich hochzuziehen. Zitternd und nach Atem ringend hockte er auf dem Balkon. Er war nicht abgestürzt, er lebte noch. Seine Lungen arbeiteten wie ein Blasebalg. Ein, aus. Ein, aus.
    Die Panik verflog, sein Verstand begann wieder in normalen Bahnen zu verlaufen. Wo war Behringer?
    Das Quietschen von Metall ertönte. Die beiden waren bereits am oberen Ende der Leiter angelangt. Oskar riss sich zusammen und ergriff die Sprossen. Wie ein Eichhörnchen flitzte er die Feuerleitern hinauf. Zweiter Stock, dritter, vierter. Die Anstrengung ließ sein Herz rasen. Er hatte sich immer für gut trainiert gehalten, aber dieses Tempo war auf Dauer zu hart für ihn. Die Leitern endeten im fünften Stock. Über ihm war nur noch das Dach. Im blasser werdenden Tageslicht sah Oskar ein Rohr, das zu einer Regenrinne über seinem Kopf führte. Noch so ein Drahtseilakt.
    Er presste die Lippen aufeinander. Für Bedenken blieb jetzt keine Zeit. Er war schon zu weit gekommen, als dass er sich von einer lächerlichen Regenrinne aufhalten lassen würde. Früher waren die Dächer sein Revier gewesen. Wenn einer ein Recht hatte, hier oben zu sein, dann er.
    Er holte tief Luft, hechtete zu dem Rohr hinüber, verkantete Hände und Füße in dem Zwischenraum zur Wand und arbeitete sich dann Stück für Stück hinauf. Seine alten Reflexe hatten ihn zum Glück nicht verlassen, und so gelangte er ohne größere Probleme oben auf das Dach. Von Humboldt und Behringer fehlte jede Spur. Er umrundete einen der Schornsteine und ging vorsichtig am Rande des Flachdachs entlang zum Ende des Gebäudes. An der Ecke sah er eine dunkle Gestalt sitzen. Sie saß einfach nur da und starrte nach unten. Es war Humboldt!
    Mit Erleichterung eilte Oskar zu ihm hinüber. Der Anblick war schwindelerregend. Unter ihren Füßen lag Berlin.
    Â»Wo ist Behringer?«
    Â»Entwischt«, lautete die Antwort. »Es ist ihm gelungen, mich in die Irre zu führen und auf eines der anderen Dächer hinüberzuspringen. Ich habe ihn nicht mehr gesehen.«
    Â»Er kennt sich hier oben gut aus«, sagte Oskar. Humboldt nickte. Er wirkte müde und angeschlagen.
    Oskar setzte sich neben ihn und starrte in die Tiefe. Das Tageslicht wurde von Minute zu Minute schwächer.
    Â»Lass uns wieder runtergehen, Vater. Ich bin sicher, die Gendarmerie ist längst da.« Er legte Humboldt die Hand auf die Schulter. Der Forscher hielt etwas in seiner Hand.
    Â»Was ist das?«
    Humboldt zeigte ihm den Gegenstand. »Kleines Souvenir von unserem Freund«, sagte er. »Seine Pistole. Behringer hat sie während der Flucht fallen lassen.« Die kantig aussehende Waffe schimmerte im Abendlicht wie Blut.
    Â»Das dürfte den Kommissar interessieren.«
    Â»Ganz sicher dürfte es das.« Humboldt erhob sich mühsam. »Du hast recht, lass uns wieder runtergehen, hier können wir nichts mehr tun.« Im schwindenden Licht des Tages wirkte er wie ein alter Mann.
    Kommissar Obendorfer war ein kleiner, drahtiger Mann mit hellen, aufmerksamen Augen und einem perfekt gestutzten Bärtchen. Er und seine Gendarmen durchwühlten bereits Behringers Geheimzimmer. Überall waren Lampen aufgestellt worden und der Raum war taghell erleuchtet.
    Obendorfer war gerade dabei, die Schubladen aufzureißen und den Inhalt zu untersuchen. Als sie eintraten, unterbrach er seine Nachforschungen.
    Â»Und, haben Sie ihn erwischt?«
    Humboldt schüttelte den Kopf. »Er ist entkommen. Am Schluss war er doch eine Spur cleverer als ich.«
    Â»Behringer ist

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