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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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anlässlich des Democratic-Jefferson-Jackson-Day in Milwaukee eine Rede über Wirtschaftsfragen gehalten. Die Mets hatten beide Spiele einer Doppelveranstaltung gewonnen und die Braves in den Polo Grounds geschlagen. Das Wetter? Bewölkt, kühl, gelegentliche Regenschauer.
    Er las die Modewerbung, die Kinoanzeigen, den Sportteil. Dann faltete er die Zeitung zusammen und legte sie beiseite.
    Er holte einen Schreibblock und einen Bleistift aus einer Küchenschublade und schlug den Block auf.
    Als Überschrift notierte er auf der ersten Seite: Dringende Fragen. Er unterstrich die Worte zweimal.
    Er überlegte, trank einen Schluck Kaffee, dann griff er wieder nach dem Bleistift.
    Irgendetwas ist hier nicht in Ordnung , schrieb er.
    Irgendetwas stimmt nicht, sonst hätte ich niemals den Tunnel gefunden. Der Vorbesitzer ist verschwunden. Die Maschinenkäfer redeten davon, ihn/es zu »reparieren«. Die Maschinenkäfer arbeiteten automatisch, glaube ich. Das Licht brannte, aber sonst war niemand zu sehen.
    Frage nach dem Ursprung des Trümmerhaufens am Ende des Tunnels. »Zerstörung«. Aber warum, und von wem oder was ausgeführt?
    Nun, das war die eigentliche Frage, oder nicht?
    Er schrieb: Der Tunnel ist ein Artefakt. Der Tunnel ist eine Zeitmaschine. Er wurde von jemandem gebaut. Er gehört jemandem.
    Jemandem aus der Zukunft, würde das heißen, da bei General Dynamics noch keine Zeittunnel montiert wurden. Es war nicht leicht, sich mit dieser Idee anzufreunden. Sie klang nach zu viel kindlicher Fantasie, erinnerte an zu viele Comics und billige Filme. Leute aus der Zukunft, sehr vertraut das Ganze. Glatzköpfige Typen in bunten Trikots.
    Das Problem war nur, dass derartige Überlegungen völlig nutzlos waren. Er müsste über die seltsamen Ereignisse so nüchtern und sachlich wie möglich nachdenken. Zu viel – er dachte an das Wort ZERSTÖRUNG – konnte auf dem Spiel stehen.
    Irgendeine zerstörerische Macht hat an diesem Ende des Tunnels für Probleme gesorgt , schrieb er, die schlimm genug waren, dass die Besitzer verschwanden und die ganze Anlage im Automatikbetrieb weiterlaufen ließen. Die vermutlich gleiche Macht war am Tunnelende in Manhattan noch gründlicher zu Werke gegangen.
    Aber es gab so viel, was er noch immer nicht wusste. Warum gab es einen Tunnel zwischen Belltower und New York City? Gab es weitere Tunnel zu anderen Orten? Führten die Tunnel immer zum gleichen Ort? Wenn sie normal funktionierten – wozu waren sie nütze? Wer bediente sich ihrer?
    Er schrieb diese Fragen auf.
    Dann hielt er inne, schenkte sich frischen Kaffee ein und setzte sich wieder. Er griff in seine Tasche und holte den toten Maschinenkäfer hervor.
    Er lag matt und scheinbar leer auf der Titelseite der Times.
    Tod durch Unfall. Höchstwahrscheinlich, dachte er, war er ermordet worden.
    Zehn Jahre sind verstrichen , schrieb er. Falls das Verstreichen von Zeit unter diesen Umständen überhaupt eine Bedeutung hat.
    Er kaute auf dem Bleistift.
    Du könntest das Ganze auf sich beruhen lassen.
    Was tat er hier überhaupt? Ließ er sich locken? Herausfordern?
    Es ist gefährlich, und du könntest die Finger davon lassen.
    Das ließ sich nicht leugnen.
    Vielleicht ging es einzig und allein um die Frage, was er tun sollte.
    Denn er hatte jetzt eine Wahl, nicht wahr? Erregung ergriff ihn, eine Freude über diese geheime Möglichkeit, dieses neue Ass, das ihm in den Schoß gefallen war. Er hatte nicht gewagt, darüber nachzudenken. Aber das tat er jetzt.
    Du könntest alles hinter dir lassen.
    Du könntest den Autoladen und die Scheidung und die höfliche Kündigung und den Treibhauseffekt einfach vergessen. Allein das Niederschreiben dieser Worte machte ihn schon benommen. Du könntest aussteigen. Jeder andere Mensch auf der Erde wird Stunde für Stunde weiter in die Zukunft gestoßen, aber du brauchst das nicht mitzumachen. Du hast eine Hintertür gefunden. Er zwang sich, rationaler zu denken. Nicht die Tür zum Paradies. Was war vor dreißig Jahren? Es gibt die Bombe. Vergiss das nicht. Es gibt Umweltverschmutzung. Es gibt Rassismus, Ignoranz, Kriminalität, Hunger ...
    Sie haben die Bombe, dachte er, aber wichtig war in diesem Zusammenhang, dass sie sie nicht eingesetzt haben. Er konnte, wenn er wollte, dreißig Jahre lang ein Leben in dem Bewusstsein führen, dass die Luftschutzsirenen nicht losheulen würden. Er konnte über entsprechende Zeitungsmeldungen lachen. Wenn er fleißig war, wenn er immer sorgfältig seine

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