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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Archer ihm erzählt hatte, den Tatsachen entsprach. Ein Jahrzehnt. Irgendwie schien es zuzutreffen. Staub aus zehn Jahren auf diesem Boden. Zehn stille Jahre.
    Er knüllte die leere Sandwichtüte und die Plastikschale zusammen und stopfte sie in seinen Rucksack.
    Er arbeitete stetig und ohne viel nachzudenken weitere drei Stunden, in denen er genug Platz schuf, um über den Geröllhaufen kriechen und sich durch die Lücke zwängen zu können.
    Im Haus war es jetzt später Nachmittag, aber dieser Zeitbegriff war hier bedeutungslos.
    Tom hockte sich auf den Geröllhaufen und warf mithilfe seiner Taschenlampe einen Blick in die Dunkelheit dahinter.
    Er sah den Raum. Eine kleine, kalte, feuchte, ungemütliche Steinkammer mit einer Tür am Ende.
    Diese Barrikade zu durchbrechen hatte nicht viel Mut erfordert. Aber die Vorstellung, die hässliche Holztür dahinter zu öffnen ... das wäre schon etwas anderes.
    Der Tunnel selbst war völlig steril wie ein Gang im Raumschiff Enterprise, während dieses gemauerte Verlies an einen Abenteuerfilm mit Drachen und Kerkern in alten Burgen erinnerte.
    Du könntest ja die Steine wieder auf einen Haufen werfen , sagte Tom sich. Schichte sie wieder auf und füge noch etwas Zement hinzu, um alles zu befestigen. Verschließ die Wand an diesem Ende. Und verkauf das verdammte Haus.
    Vergiss die ganze Sache.
    Aber er würde immer wieder daran denken. Sein restliches Leben lang würde er sich erinnern und sich den Kopf wegen der Tür zerbrechen, und allein dieser Gedanke würde ihn nie mehr zur Ruhe kommen lassen.
    Dennoch, so dachte er, war dies eine ernste Angelegenheit. Wer oder was immer diese Wand zerstört hatte, könnte auch ihn vernichten.
    AUCH DAS IST MÖGLICH, hatte der Fernseher gemeldet.
    Leben oder Tod.
    Aber was gab es denn schon, wofür er im Augenblick lebte?
    Im Haus – also in der realen Welt – war er ein einsamer, durchschnittlicher Mann, der ein aus den Fugen geratenes, zielloses Leben führte. Er hatte für seine Arbeit und für Barbara gelebt. Aber seine Arbeit war beendet, und Barbara lebte in Seattle mit einem Anarchisten namens Rafe.
    Wenn er die Tür öffnete und ein Drache ihn verschlang – nun, das wäre doch mal ein interessanter Tod.
    Die Welt würde kaum Kenntnis davon nehmen, kaum trauern.
    »Zum Teufel, was soll's«, murmelte Tom und schob sich durch den Spalt.
    Hinter der Tür führte eine Steintreppe nach oben.
    Tom folgte ihr. Seine Turnschuhe quietschten auf dem feuchten Zement.
    Die Taschenlampe holte einen Treppenabsatz aus der Dunkelheit, der kaum breit genug war, dass er darauf stehen konnte, und eine zweite Tür.
    Diese Tür war mit einem Vorhängeschloss gesichert – von der anderen Seite.
    Ihm fiel sein Brecheisen ein. Er griff danach und fluchte. Er hatte es bei dem Trümmerhaufen liegen gelassen.
    Er lief die Treppe hinunter, durch die erste Tür, kletterte über den Geröllhaufen. Er holte sein Brecheisen und seinen Rucksack und ging den gleichen Weg wieder zurück. Als er erneut vor der verschlossenen Tür stand, war er außer Atem, und sein Atem kondensierte in der feuchtkalten Luft zu weißlichen Dampfwolken.
    Er hatte keine Angst mehr und ließ noch nicht einmal besondere Vorsicht walten. Er wollte ganz einfach die Sache erledigen, seinen Job beenden. Er klemmte das Brecheisen zwischen die Tür und den Türpfosten und drückte dagegen, bis er das Geräusch eines brechenden Bügels hörte. Die Tür schwang auf ...
    Ein weiterer dunkler, gemauerter Raum.
    »Verdammt!«, rief Tom aus. Vielleicht ging es immer so weiter, eine kleine hässliche Kammer nach der anderen. Vielleicht war er tatsächlich in der Hölle?
    Aber dieser Raum war nicht vollständig leer. Er schwenkte den Lampenstrahl hin und her und entdeckte zwei Kanister auf dem Boden. Sie standen neben einer Holztreppe, die nach oben führte.
    Ein erster Hinweis, dachte er.
    Die Behälter waren etwa zwanzig Zentimeter hoch, und am Rand des einen war ein Drahtgriff befestigt.
    Er beugte sich über die Behälter und leuchtete hinein.
    Der Aufkleber auf dem linken Behälter trug die Inschrift VARSOL.
    Auf dem Schild auf dem rechten Behälter stand zu lesen EVERTINT PAINT. Und in kleiner Schrift darunter: Eierschalenblau.
    Tom wandte sich um und erschrak beim Anblick einer Schnur, die vor seinem Gesicht hing. Er zog daran, und über ihm flammte eine matte Fünfundzwanzigwattbirne auf.
    Von oben – vom Treppenende – hörte er das Rauschen von Verkehr und Regen.
    Dies alles war

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