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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Hausaufgaben machte, wüsste er, dass das Flugzeug, das er bestieg, nicht vom Himmel fallen würde. Er könnte die Stadt verlassen, ehe das Erdbeben zuschlug ...
    Und selbst wenn jemand starb, dann wäre dies ein Tod, der bereits in den Geschichtsbüchern verzeichnet wäre. Es würden keine Gräber gefüllt, die nicht schon besetzt waren. Die Tragödie der Welt würde andauern, aber er wüsste wenigstens über ihr Ausmaß Bescheid.
    Er vernahm ein Echo Barbaras aus dem Bereich seines Bewusstseins, wo die Erinnerungen weilten und sich manchmal bemerkbar machten: Hast du wirklich so viel Angst vor der Zukunft?
    Nach Tschernobyl, nach dem Tiananmenplatz, nach seiner Scheidung? In einer Welt, in der regelmäßig Tritium bei geschützten Transporten verschwand, die Staatsschulden allmählich fällig wurden, der Aktienmarkt eher einem olympischen Turmspringen glich? Angst vor der Zukunft in einer Welt voller Teenagerselbstmorde und des kosteneffektiven Sturmgewehrs? Angst ... während die brasilianischen Regenwälder die Atmosphäre mit ihren durch Brandrodung erzeugten Qualmwolken verpesteten und die Meldung der jeweils aktuellen Hautkrebsrate mittlerweile zu den Abendnachrichten gehörte? Davor sollte er Angst haben?
    Wer, ich?
    Ich gehe noch einmal zurück , schrieb er. Wenigstens, um mich umzusehen. Um wirklich dort gewesen zu sein. Wenigstens einmal.
    Sonst noch Fragen?
    Ja, dachte er. Viele. Aber er schrieb sie lieber nicht auf.
    Als Tom von der Zeitung hochschaute, sah er, dass mehrere der größeren Maschinenkäfer am Tischbein heraufgeklettert waren und ihren toten Kameraden wegtrugen.
    Vielleicht, um ihn zu ersetzen, dachte Tom. Oder um ihn zu reparieren. Im Reparieren waren sie ganz groß. Oder vielleicht, um ihn zu beerdigen, ihn in irgendein metallisches Grab zu senken, während sie sich darum versammelten und elektromagnetische Totengesänge anstimmten.
    Sie bildeten eine helle, funkelnde Kette auf den Küchenfliesen, als sie davonmarschierten. Er störte sie nicht.
    Einmal noch, schwor er sich, wenigstens um sich umzusehen – bis dahin schob er alle weiteren Entscheidungen auf. Er beschloss, Einkäufe für einen Wochenendausflug zu tätigen und bis dahin ein ganz normales Leben zu führen, so unmöglich das auch klingen mochte.
    Erstaunlicherweise erwies die Scharade sich als Erfolg. Er hatte Erfolg bei seiner Arbeit. Tony lud ihn zu einem Abendessen im Kreise der Familie ein, und auch das verlief harmonisch. Dabei erkundigten Tony und Loreen sich eher beiläufig nach seiner Gesundheit und seiner »Verfassung«, und Tom gab darauf betont ausweichende Antworten. Die Zeit verging wie im Fluge außer abends und nachts, wenn die Zweifel sich wieder einstellten. Er sicherte die Tür, die in den hinteren Teil des Kellers führte, mit einem schweren Bolzenschloss aus dem Eisenwarenladen. Es würde zwar niemanden aufhalten, der durch den Tunnel kam, jedoch stellte es eine wertvolle psychologische Hilfe dar, ein schlafförderndes Mittel wie die kleinen weißen Tabletten, die er in der Value-Save-Apotheke kaufte. Er fand einige populär gehaltene, historische Betrachtungen der Sechzigerjahre in der Bibliothek und opferte einige Zeit, um sich über das erste Drittel dieses Jahrzehnts bis hin zum Kennedy-Attentat zu informieren. Diese Zeit erschien ihm als eine seltsam ruhige Periode. Große Ereignisse kündigten sich bereits an, fanden aber noch lange nicht statt. Es war vielleicht eine Art nervöses Anhängsel der Fünfzigerjahre. Er erkannte Namen wieder: Gagarin, Chruschtschow, John Glenn, Billie Sol Estes – aber die Geschichte verblasste angesichts des aktuellen Geschehens, seines geheimen Weges zurück durch das Labyrinth der Jahre und des Todes. Die Woche neigte sich allmählich dem Ende zu.
    Am Samstagmorgen erwachte er bereits vor Anbruch der Dämmerung. Er zeichnete einen Kreis zwischen den Wandschrauben und schnitt mit einer Stichsäge eine Öffnung aus – mittlerweile beherrschte er das ganz gut.
    Am anderen Tunnelende stellte er erleichtert fest, dass sich niemand an dem Geröllhaufen zu schaffen gemacht hatte – nur seine eigenen Fußabdrücke waren im Staub zu sehen – und dass das zerbrochene Schloss an der Verbindungstür nicht erneuert worden war.
    Noch weiß niemand davon.
    Er war hier noch immer sicher.
    Er verließ den Tunnel und stieg zur Straße empor in einen kühlen und bewölkten Frühlingsmorgen. Die Zeit verstrich, wie er feststellte, hier genauso schnell wie zu Hause, allerdings waren

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