Chuzpe: Roman (German Edition)
könnte in Martin’s Creek in Pennsylvania oder in Morrisville in Vermont oder in Athens in Ohio ein Restaurant eröffnen. Das würde weder in Martin’s Creek in Pennsylvania noch in Morrisville in Vermont, noch in Athens in Ohio gutgehen. Und ebensowenig in Mesa in Arizona, in Duluth in Minnesota oder in Petaluma in Kalifornien. Und ganz gewiß nicht, wie Ruth mit unumstößlicher Gewißheit wußte, in New York.
»Das ist eine absurde Idee«, sagte Ruth. »Wir sind in New York. Der größte Teil neueröffneter Restaurants geht pleite. Es gibt sie nicht lange. Sie müssen zumachen«, fügte sie hinzu, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Es ist ein sehr riskantes Geschäft«, sagte sie.
Zofia und Walentyna blickten niedergeschlagen drein. Walentyna ließ ihre schmalen Schultern hängen. Sogar Zofias Brüste schienen zu sacken. Leicht zu sacken. Ruth sah Edek an. Er wirkte nicht niedergeschlagen. Er wirkte zornig.
»Du denkst, wir würden nicht wissen, was wir tun, Ruthie, Liebling. Das kann ich sehen«, sagte er.
Edeks »Liebling« hatte keine Wärme enthalten. Es hatte Verärgerung ausgedrückt.
»Ja, ich glaube, daß ihr nicht wißt, was ihr tut«, sagte Ruth. »Man muß etwas Erfahrung haben, um zu wissen, was man tut. Das ist wie Klavierspielen oder Radschlagen oder ein Flugzeug fliegen. Das kann man nicht einfach aus dem Stand tun und denken, es würde funktionieren.«
Ruth begriff sofort den Fehler ihres Vergleichs. Sie hätte das Radschlagen nicht erwähnen sollen. Das war dumm von ihr gewesen. Welcher Mensch über dreißig, der nicht Artist war, schlug freiwillig Rad? Und für Kinder war es eine Selbstverständlichkeit. Was für Ruth allerdings nicht galt. Auch als Kind hatte sie sich davor gefürchtet, sich mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben auf die Hände zu stellen. Die Welt war ihr schon gefährlich genug vorgekommen, wenn man richtig herum stand.
»Was ist Radschlagen?« fragte Walentyna. Ruth wußte, daß das ihr Todesurteil war. Sie wußte, daß jeder Erklärungsversuch außer einer sportlichen Demonstration zum Scheitern verurteilt war. Und nur von dem ablenken würde, was sie erklären wollte. Ein Wörterbuch würde das Radschlagen möglicherweise als »seitwärts ausgeführter Sprung mit ausgebreiteten Armen und Beinen« erläutern, aber Ruth war sich nicht sicher, ob Walentyna oder Zofia aus so einer Definition auf das Radschlagen schließen würden. Sie dachte sich, daß es sogar ihr schwerfiel, diese Beschreibung als Beschreibung des Radschlagens zu begreifen, obwohl sie wußte, worum es sich handelte.
»Im Augenblick ist das nebensächlich«, sagte Ruth. »Worum es geht, ist, daß man Erfahrung haben muß, wenn man ein Restaurant eröffnen will.«
»Es ist nur ein kleines Restaurant«, sagte Edek. »Und einTeil des Geschäfts wird sein die Abteilung Take-out. Ein Take-out ist wie ein Laden. Du machst Klops. Und du verkaufst Klops. Wieviel Erfahrung muß man haben, um das zu machen? Und wir haben Erfahrung. Zofia hat gemacht eine Menge Klops. Und eine Menge Leute haben gegessen Zofias Klops.«
»Wo?« sagte Ruth. »In Zoppot?«
»Ich habe selber gegessen eine Menge von Zofias Klops, und sie sind nicht von dieser Welt. Ich habe gegessen eine Menge von Zofias Klops«, wiederholte Edek mit einer schwungvollen Geste. Edek war nicht jemand, dem man große kulinarische Erfahrung unterstellen konnte, dachte Ruth. Oder einen besonders sensiblen Gaumen. Er ernährte sich von Lasagne, Schnitzel, Gefilte Fisch und Leberzwiebeln mit Latkes, Hühnersuppe und Schokolade als Abrundung seines Speisezettels. So wie Edek seine Meinung kundgetan hatte, hätte man meinen können, er halte sich für Jean-Georges Vongerichten oder Julia Child. Allerdings war kaum anzunehmen, daß Edek je von Jean-Georges oder Julia Child gehört hatte.
»Wir haben eingeladen eine Menge Leute, zu probieren die Klops, was macht Zofia«, sagte Edek mit einer Spur Triumph in der Stimme. »Wir haben eingeladen den Metzger, was ist an der Grand Street, den Mann, was ist Inhaber von der Reinigung, und junge Leute, was wohnen in unserem Haus. Und jeder, was hat gegessen diese Klops, hat gesagt, daß die Klops sind sehr, sehr gut.«
Das Ganze hatte allmählich etwas von einer Farce. Einer beunruhigenden Farce.
»Was habt ihr getan?« sagte Ruth. »Ihr habt in der Nachbarschaft Fleischklopse verteilt?«
»Sowieso nicht«, sagte Edek. »Wir hatten schon zwei sogenannte Buffetpartys.«
»Ihr habt diese ganzen
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