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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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voneinander.
    Ruth ging in ihrem Loft auf und ab; sie fühlte sich unwohl. Ihr Blick fiel auf einen großen Karton mit dem Aufdruck National Wholesale Liquidators , der am Vortag bei ihr abgegeben worden war. Als sie nach der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte der Karton vor der Wohnungstür gestanden.
    Von National Wholesale Liquidators hatte sie noch nie gehört. Sie nahm an, daß der Karton für einen ihrer Nachbarn bestimmt war.
    Sie sah sich das Etikett oben auf dem Karton genauer an. Es war an sie adressiert. Sie öffnete den Karton. Er enthielt zehn Packungen Toilettenpapier. Jede Packung enthielt zwölf Rollen Toilettenpapier. Zweilagiges Waffelpikeepapier mit Rillen. Die Rillen konnte Ruth sehen. Sie verliefen wie feine Wellen über das Waffelpikee. Ruth fragte sich, wozu die Rillen gedacht sein mochten. Und sie fragte sich, wer ihr das Toilettenpapier geschickt haben mochte.
    Ruth rief Edek auf seinem Mobiltelefon an. Sie hatte tagelang nicht mit ihm gesprochen. Zu Hause war er nie zu erreichen. Offenbar war er immer unterwegs. Ohne Unterlaß. Edek nahm ab.
    »Hi, Dad«, sagte Ruth.
    »Hallo, Ruthie, Schätzchen«, sagte Edek. »Kannst du mich hören?« Das fragte er immer, wenn er auf seinem Handy angerufen wurde. Es war, als könnte er es noch immer nicht fassen, daß so ein Telefon tatsächlich funktionierte.
    »Ja, Dad«, sagte sie.
    »Das ist gut«, sagte Edek. »Ich kann dich auch hören.«Für gewöhnlich ergänzte er diese Feststellung mit den Worten: »Ich kann dich hören sehr gut« oder: »Ich kann dich hören nicht so gut.«
    »Ich kann dich hören sehr gut«, sagte Edek.
    »Dad, hast du mir einen Karton Klopapier geschickt?« fragte Ruth.
    »Sowieso«, sagte Edek.
    »Du hast mir hundertzwanzig Rollen Klopapier geschickt!« sagte Ruth.
    »Das weiß ich«, sagte Edek.
    »Warum hast du mir hundertzwanzig Rollen Klopapier geschickt?« fragte sie.
    »Weil jedermann kann brauchen Klopapier«, sagte Edek. »Und dieses Klopapier ist nicht von dieser Welt.«
    »Nicht von dieser Welt« war das höchste Lob aus Edeks Mund.
    »Es hat solche speziellen Linien, was ich noch nie habe gesehen. Es ist nicht so leicht, zu finden ein Klopapier wie dieses. Wenn du würdest suchen ein Klopapier, was hat solche Linien, du würdest laufen von Bonzen bis zu Latex.«
    »Was würde ich?« sagte Ruth.
    »Du würdest laufen von Bonzen bis zu Latex«, sagte Edek. »Das ist so ein Ausdruck, was sagen die Leute in Australien und in Amerika.«
    »Ein Ausdruck?« sagte Ruth.
    »Wenn du dir abläufst die Backen«, sagte Edek ungeduldig.
    Mit einemmal ging Ruth ein Licht auf. »Von Pontius zu Pilatus«, sagte sie. »Du meinst: von Pontius zu Pilatus laufen.«
    »Natürlich«, sagte Edek. »Du würdest laufen und laufen, und jetzt ist das nicht nötig.«
    Ruth versuchte, Freude und Begeisterung über das Toilettenpapier zu bezeigen. Während sie mit ihrem Vater sprach,war sie sich mit der Hand durch die Haare gefahren. Wahrscheinlich sah sie inzwischen aus, als wäre sie stundenlang von Pontius zu Pilatus und zurück gelaufen.
    »Was machst du?« fragte sie ihren Vater.
    »Oj, ich versuche zu finden eine Gegend, was ist geeignet für ein kleines Restaurant, was ist nicht sehr teuer«, sagte Edek. »So etwas ist gar nicht so leicht zu finden.«
    Ruth war sprachlos. Offenbar gehorchte ihre Zunge ihr nicht mehr. Sie war mit Stummheit geschlagen. Sie brachte kein Wort heraus. »Wie?« sagte sie zuletzt. Ihre normalerweise tiefe Stimme klang schrill, grell, möglicherweise quiekend.
    »Zofia weiß, was fehlt in New York«, sagte Edek. »Und wir sind bereit, aufzumachen eine Firma.«
    Ruth antwortete nicht. Ihr fehlten die Worte. Was redete Edek da? Wo war der Zusammenhang? Der Zusammenhang zwischen dem, was in New York fehlte, und dem Umstand, daß Edek und seine Freundinnen bereit waren, eine Firma aufzumachen? Die Vorstellung, daß in New York etwas fehlte, war leichter zu verdauen als die Vorstellung, daß Zofia und Edek eine Firma aufmachten.
    »Zofia hat einen Plan«, sagte Edek. »Können wir uns mit dir treffen, Ruthie, um zu besprechen die Geschäftsidee, was hat Zofia?«
    Nach zwei Wochen in New York hatte Zofia einen Plan. Und eine Geschäftsidee.
    »Kannst du mich hören, Ruthie?« fragte Edek.
    »Ich kann dich hören«, sagte sie.

Siebtes Kapitel
    Ruth saß im Caff  Dante an der MacDougal Street. Sie wartete auf Zofia, Walentyna und Edek. Sie hatte das Caff  Dante vorgeschlagen, weil es dort am späten Nachmittag

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