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Chuzpe: Roman (German Edition)

Chuzpe: Roman (German Edition)

Titel: Chuzpe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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begegneten, bewunderten sie stets gegenseitig ihren Haarschnitt und unterhielten sich voller Zuneigung über Geoffrey.
    »Ich weiß, daß diese Frage ein bißchen unmöglich ist«, sagte Ruth zu Patricia Biscuit, »aber könnten Sie mir ungefähr sagen, welche Faktoren Ihrer Meinung nach zu berücksichtigen wären, wenn man ein Restaurant eröffnen wollte?«
    »Wollen Sie in die Gastronomie wechseln?« sagte Patricia Biscuit zu Ruth.
    »Nein«, sagte Ruth. »Eine Freundin meines Vaters will das tun, und sie ist überzeugt, daß es ihr gelingen wird.«
    »Zwei Dinge, die unverzichtbar sind, wenn man ein Restaurant eröffnen und erfolgreich führen will, sind Konzept und Location.«
    Ruth fragte sich, ob Klopse als Konzept gelten konnten.
    »Ein erfolgreiches Restaurant setzt entweder ein Konzept oder eine Location voraus«, sagte Patricia Biscuit. »Entweder hat man sich eine Location in den Kopf gesetzt, findet dort geeignete Räume und überlegt sich dann das Konzept. Oder man hat ein überwältigendes Konzept, etwas Noch-nie-Dagewesenes, und sucht sich dann die entsprechende Location.«
    Falls Klopse ein Konzept waren, konnten sie dann als überwältigendes Konzept gelten? Das konnte Ruth sich nicht vorstellen.
    »Einige bekannte Restaurantunternehmer und Chefköche haben Restaurants an etwas abgelegeneren Locations positioniert«, sagte Patricia Biscuit. »In einer Stadt wie NewYork hat es ein gewisses Etwas, wenn man ein Restaurant an einer abgelegenen Location positioniert. Und wenn man damit Erfolg hat, ist das Lokal natürlich der letzte Schrei.«
    Ruth konnte sich nicht vorstellen, daß irgend jemand sich ans andere Ende oder zur anderen Seite von Manhattan aufmachte, um polnische Fleischklopse zu erstehen.
    »Man muß sich über sein Zielpublikum im klaren sein«, sagte Patricia Biscuit, »man muß wissen, wen man erreichen will.«
    Zofia wollte Leute erreichen, die Fleischklößchen aßen, dachte Ruth. Woher sollte man wissen, welche Kategorie von Zielpublikum solche Leute ausmachten?
    »Und man muß sein Produkt für den richtigen Markt kalkulieren«, sagte Patricia Biscuit.
    »Was bedeutet das?« fragte Ruth.
    »Passen Sie auf«, sagte Patricia Biscuit. »In SoHo würde niemand einen Latte macchiato für einen Dollar bestellen— die Leute bestellen einen Latte macchiato für vier Dollar. Man verkauft ein Image, und dieses Image muß den richtigen Preis haben.«
    Ruth war sich keineswegs sicher, daß Edek, Zofia und Walentyna sich über ihr Zielpublikum im klaren waren. Oder daß ihnen klar war, daß man in SoHo einen Latte macchiato nicht für einen Dollar anbieten konnte.
    »Ist die Finanzierungsfrage soweit geregelt?« fragte Patricia Biscuit. Das war sie sicherlich, dachte Ruth. Insofern diese Frage gar nicht erst aufgetaucht war. Sondern man sich auf sie, Ruth, verließ. Auf ihr Bankkonto.
    »Ich glaube nicht«, sagte Ruth.
    »Na ja, sie müssen mit einer Art Bilanzplan zu ihrer Bank gehen«, sagte Patricia Biscuit. »Und die Bank erwartet, daß sie einen gewissen Eigenbetrag in das Projekt investieren, ihr eigenes Geld oder das von Verwandten. Ein Restaurant ist ein so riskantes Unternehmen, daß die Bank sichergehenwill, im Fall einer Pleite weniger Geld in den Sand zu setzen als der betroffene Unternehmer.«
    Ruth machte sich eine Notiz, Edek, Zofia und Walentyna zu sagen, daß selbst die Banken ein Restaurant für ein riskantes Unternehmen hielten. Den dreien war zuzutrauen, daß sie dachten, mit einem Teller voller Klopse könne man eine Bank überzeugen.
    »Man muß flüssig genug sein, um das Unternehmen ein Jahr lang am Laufen zu halten«, sagte Patricia Biscuit. »Und danach muß man sich darauf einrichten, daß es fünf Jahre dauert, bis man schuldenfrei ist. Nicht, bis man Geld verdient. Bis man schuldenfrei ist.«
    Edek würde zweiundneunzig sein, bevor das Unternehmen sich einigermaßen tragen würde, dachte Ruth. Vielleicht würde sogar Edek einsehen, daß so etwas keinen Sinn hatte.
    »Man muß damit rechnen, daß es zehn Jahre dauert, so ein Projekt auf die Beine zu stellen«, sagte Patricia Biscuit.
    Zehn Jahre, dachte Ruth. Bis dahin wäre Edek siebenundneunzig. Das würde ihn vielleicht zum ältesten Restaurantbetreiber der Welt machen.
    »Das haben sie wahrscheinlich berücksichtigt«, sagte Patricia Biscuit. »Das berücksichtigen die meisten Leute.«
    Die meisten, dachte Ruth. Wenn Patricia Biscuit wüßte, wie fern Edek, Zofia und Walentyna den meisten Leuten waren. Sie waren

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