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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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die Produktion falscher Geschichten über »Spaltungen, evolutionären Wandel, Machtkämpfe, ökonomische Katastrophen [und] einen guten und bösen Kommunismus«, um dem verwirrten Westen ein »Spiegellabyrinth« vorzuführen. Sobald dieses Programm strategischer Täuschung den westlichen Schulterschluss erfolgreich gesprengt habe, werde es für Moskau ein Leichtes sein, die Völker der freien Welt eines nach dem anderen zu kassieren. Nur die westlichen Nachrichtendienste konnten nach Angletons Überzeugung dieser Herausforderung begegnen und die Katastrophe verhindern. Und weil die Sowjets jeden dieser Nachrichtendienste infiltriert hätten, liege das Schicksal der westlichen Zivilisation weitestgehend in den Händen der Experten für Gegenspionage.
    Angleton war krank – »ein Mann mit einem unkontrollierten und aus den Fugen geratenen Denken, dessen Theorien, wenn sie auf Angelegenheiten von öffentlichem Belang angewandt wurden, keine ernsthafte Berücksichtigung verdienten«, wie später in einer offiziellen CIA-Beurteilung zu lesen stand. Ihm Glauben zu schenken hatte böse Folgen. Im Frühjahr 1967 zählte zu diesen Folgen, dass der sowjetische Überläufer Juri Nosenko, den die CIA bereits seit über zwei Jahren unter unmenschlichen Bedingungen in einem Militärgefängnis festhielt, noch immer unrechtmäßig eingesperrt war, dass sich leitende Beamte der für die Sowjetunion zuständigen Abteilung des Nachrichtendienstes einer Flut falscher Anklagen wegen angeblicher Spionage für Moskau ausgesetzt fanden und dass man sich weigerte, sowjetischen Überläufern und angeworbenen Agenten auch nur ein einziges Wort zu glauben. »Loyale Mitarbeiter der Agency gerieten aus purem Zufall oder aufgrund windiger Indizien unter Verdacht, Verräter zu sein«, liest man in der CIA-Geschichte der Jahre unter Helms. »Laufende Operationen gegen sowjetische Ziele waren abgebrochen worden, und neue wurden im Keim erstickt, weil man überzeugt war, der Kreml habe, gewarnt durch einen Maulwurf in der CIA, die meisten Gewährsleute des Geheimdienstes umgedreht. Aus Angst, sie könnten getürkt sein, blieben wertvolle Informationen, die Überläufer und langjährige Quellen lieferten, unbeachtet.«
    Innerhalb des Geheimdienstes bildete sich eine kleine, aber entschlossene Widerstandsfraktion gegen Angleton. »Wir werden nicht vom Feind desinformiert, sondern treiben Selbsttäuschung«, schrieb ein leitender Beamter der für die Sowjetunion zuständigen Abteilung namens Leonard McCoy in einem Memorandum, das Helms erstmals im April 1967 zu Gesicht bekam. McCoy erklärte Helms, das Wahnsystem Angletons habe zu einer völligen »Lähmung unserer gegen die Sowjetunion gerichteten Bemühungen« geführt. Im Mai wies Howard Osborn, der Direktor der Sicherheitsabteilung der CIA, warnend darauf hin, der Fall Nosenko stelle rechtlich und moralisch eine abscheuliche Gemeinheit dar. Helms bat den Stellvertretenden Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes, Admiral Rufus Taylor, eine Lösung für den Fall zu finden. Als Taylor in seinem Bericht erklärte, Nosenko sei keinesfalls ein Doppelagent, stellte das die Sowjetabteilung der CIA auf die Zerreißprobe, und Helms musste den Gefangenen freilassen und einige größere personelle Veränderungen vornehmen, um die Atmosphäre zu reinigen.
    Angleton und seine Mitarbeiter lieferten den anderen Sektionen der CIA fast keine nachrichtendienstlichen Berichte; er betrachtete sich als den ausschließlichen Nutznießer seiner Arbeit und weigerte sich, seine Ergebnisse schriftlich in Umlauf zu bringen. Er sabotierte Bürochefs in ganz Europa, untergrub alliierte Nachrichtendienste und betrieb in der Zentrale Brunnenvergiftung – all dies »ohne den mindesten Beweis dafür«, dass es in der Sowjetabteilung einen Maulwurf gab beziehungsweise jemals gegeben hatte, wie Rolfe Kingsley, der neuernannte Chef der Abteilung unter Helms, vergeblich geltend machte. Laut Admiral Taylor hielt Helms »Jim für einen Mann mit einer fixen Idee. (…) Helms fand diese fixe Idee bedauerlich, aber er hielt Angleton für so wichtig und so schwer zu ersetzen, dass seine übrigen Qualitäten schwerer wogen als die Nachteile, die dieser fixen Idee entsprangen.«
    Trotz der Karrieren, die Angleton zerstörte, der Leben, die er kaputt machte, und des schieren Chaos, das er hinterließ, verlor Helms nie das Vertrauen zu ihm. Warum nicht? Erstens wurde, soweit man das überhaupt wissen kann, die CIA während der zwanzig Jahre,

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