CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Bill Caseys Credo. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, den Kampfgeist der CIA neu zu wecken. »Seine Vorstellung davon, wie man einen Krieg gegen eine totalitäre Macht führt, war eindeutig vom Zweiten Weltkrieg geprägt«, erklärte Bob Gates, der sechs Jahre an seiner Seite verbrachte. »Wo mit harten Bandagen gekämpft wurde. Wo alles erlaubt war.«
Casey bewarb sich um das Amt des Außenministers, aber Reagans engste Vertraute erbleichten bei dem Gedanken. Es ging dabei um das Erscheinungsbild. Casey war kein Staatsmann: Er sah aus wie ein ungemachtes Bett, nuschelte so sehr, dass man kein Wort verstand, und aß wie ein Tollpatsch. Die künftige First Lady fand die Vorstellung eines Casey, der sich bei einem offiziellen Staatsdinner die Schärpe bekleckerte, unerträglich. Casey war sauer, erlangte zur Entschädigung aber von Reagan ein besonderes Zugeständnis: Dafür, dass er sich mit dem CIA-Posten abfand, erhielt er als erster CIA-Direktor Kabinettsrang und die Vergünstigung, den Präsidenten privat aufsuchen zu können. Diese besondere Stellung konnte er dazu nutzen, amerikanische Außenpolitik nicht nur in die Tat umzusetzen, sondern sie zu bestimmen, so, als hätte er am Ende den Posten des Außenministers doch noch bekommen. Casey brauchte dazu nur ein paar Minuten mit dem Präsidenten, ein Augenzwinkern und ein kurzes Nicken, und schon war er wieder verschwunden.
Casey war ein charmanter Schurke, ein Wall-Street-Haudegen, der sein Vermögen mit dem Verkauf von Steuerschlupflöchern gemacht hatte. Seine Begabung bestand darin, Gesetze bis an den Rand des Rechtsbruchs zu beugen. »Wir müssen uns wahrhaftig die Anwälte vom Hals schaffen!«, murmelte er einmal William Webster zu, dem Direktor des FBI. »Ich glaube nicht, dass er damit sagen wollte: ›Scheiß auf die Verfassung‹«, meinte Webster, der bis in die Haarspitzen Anwalt war. »Aber er empfand im Zweifelsfall die Gesetze als Einschränkung. Er suchte sich ihnen zu entziehen.«
Reagan vertraute ihm. Andere taten das nicht. »Ich war absolut überrascht, als Reagan Casey wählte«, äußerte Gerald R. Ford. »Für den Posten als Leiter der CIA war er nicht qualifiziert.« Fords eigener CIA-Direktor stimmte aus vollem Herzen zu. »Casey war keine angemessene Wahl«, erklärte George H. W. Bush.
Casey freilich rechnete sich Reagans Wahl als sein Verdienst an und war überzeugt davon, dass sie beide gemeinsam eine historische Rolle zu spielen hatten. Wie Reagan hatte auch Casey weitreichende Visionen. Wie Nixon war auch er der Ansicht, dass alles rechtens war, solange es geheim blieb. Wie Bush sah er in der CIA die Verkörperung amerikanischer Werte. Und wie die Sowjets beanspruchte er für sich das Recht, zu lügen und zu betrügen.
Die Regierungsjahre Reagans begannen mit einem ganzen Schub neuer verdeckter Operationen, die von der kleinen Planungsgruppe für Nationale Sicherheit genehmigt wurden, die im Lagebesprechungsraum im Untergeschoss des Weißen Hauses tagte. In den Reagan-Jahren war die Gruppe das Laboratorium für verdeckte Aktionen. Anfangs bestand die Kernmannschaft aus Präsident Reagan, Vizepräsident Bush, Außenminister Alexander M. Haig jr., Verteidigungsminister Caspar W. Weinberger, dem Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten und dem Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs der Streitkräfte, der Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Jeane Kirkpatrick, und ihrem engen Freund Bill Casey. Casey führte auf der ersten Sitzung das Wort, und in den ersten zwei Monaten der neuen Regierung gab ihm die Gruppe grünes Licht für umfassende verdeckte Aktionen, die Mittelamerika, Nicaragua, Kuba, das nördliche Afrika und Südafrika betrafen.
Am 30.März 1981 schoss ein Verrückter auf einem Bürgersteig in Washington auf den Präsidenten. Reagan war an diesem Tag dem Tod sehr nahe, was das amerikanische Volk nie erfuhr.
Als sich Al Haig – heiser, schwitzend und zitternd – im Presseraum des Weißen Hauses mit krampfigen Händen an das Pult klammerte und erklärte, er übernehme die Regierungsverantwortung, flößte er wenig Vertrauen ein. Der Präsident erholte sich langsam und unter Schmerzen. Ähnlich langsam und mühsam verlief Haigs Demontage. Das ganze Jahr 1981 hindurch »hatten wir mit einem Grundproblem zu schaffen«, berichtete Admiral John Poindexter, der damals Mitarbeiter im Nationalen Sicherheitsrat war. »Wer trug die Verantwortung für die Außenpolitik?« Diese Frage wurde nie entschieden, weil sich
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