CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
bürokratischer Gefäßverkalkung«. Es wimmele von mittelmäßigen Existenzen, die durch die Flure trotteten und auf den Tag warteten, da sie sich zur Ruhe setzen könnten – sie seien der Hauptgrund für »den Niedergang, den unsere nachrichtendienstliche Informationsbeschaffung und Analysetätigkeit im Laufe der letzten fünfzehn Jahre erlebt hat«.
Gates warf den CIA-Analysten vor, »engstirnig, selbstgefällig und arrogant« zu sein; ihre Beiträge seien »unbedeutend, uninteressant, zu spät, um von Wert zu sein, zu eng, zu einfallslos und zu oft schlicht und einfach falsch«; in ihren Reihen tummelten sich Amateure, »die sich als Experten aufspielen«. Fast jede wichtige Entwicklung in der Sowjetunion und die Fortschritte, die diese während des letzten Jahrzehnts in der Dritten Welt gemacht habe, seien ihnen entgangen. Es sei höchste Zeit für sie, sich in Form zu bringen oder von Bord zu gehen.
»Sich in Form bringen« bedeutete dabei soviel wie »nach Caseys Pfeife tanzen«. Wenn Casey anderer Meinung war als seine Analysten, was oft geschah, schrieb er ihre Ergebnisse im Sinne seiner Ansichten um. Wenn er dem Präsidenten erklärte »So denkt die CIA darüber«, dann meinte er »So sehe ich die Sache«. Unabhängig gesinnte Analysten, die auf einer unvoreingenommenen Betrachtung der Dinge bestanden, verjagte er aus der CIA; zu den Letzten der Geschassten zählte Dick Lehman, der Chef der Abteilung für aktuelle Informationen, der schon Allen Dulles hatte ertragen müssen, als der alte Mann den Wert seines Wirkens bereits eher am Gewicht der Schriftstücke als an ihrem Inhalt bemaß. »Für Casey zu arbeiten war für jedermann eine schwere Prüfung, zum Teil wegen seiner zunehmenden Unberechenbarkeit und zum Teil wegen seiner rechtsgerichteten Tendenzen«, sagte Lehman. »Er war Argumenten zugänglich, aber dazu brauchte es verflucht viele Argumente.«
Wie eine Zeitung, die ein Herausgeber im Sinne seiner Vorurteile zurechtbiegt, wurde das analytische Schaffen der CIA zum Ausdrucksmittel der Sichtweise eines einzigen Mannes. Nach Außenminister Shultz waren »die Erkenntnisse der CIA in vielen Fällen nichts weiter als Bill Caseys Ideologie«.
»Ich kümmere mich um Mittelamerika«
Nachdem sie öffentlich alles in den Schmutz gezogen hatten, wofür Jimmy Carter stand, übernahmen Reagan und Casey sieben wichtige Geheimaktionsprogramme, die Carter in die Wege geleitet hatte. Waffenlieferungen nach Afghanistan und Programme zur politischen Kriegführung im Sinne der Unterstützung von Dissidenten in der Sowjetunion, in Polen und in der Tschechoslowakei zählten, wie sich zeigte, zu den wichtigsten CIA-Operationen in der Zeit des Kalten Krieges. Casey freilich war interessierter an einem echten Krieg im Hinterhof der Vereinigten Staaten.
»Irgendwann in finsterer Nacht«, so Clair George, habe Casey Ronald Reagan versichert: »Ich kümmere mich um Mittelamerika. Lassen Sie mich nur machen.«
Im Jahr 1980 hatte Präsident Carter drei kleine geheime Aktionsprogramme für Mittelamerika genehmigt. Sie nahmen die Sandinisten aufs Korn, die linksorientierte Bewegung, die in Nicaragua die Macht ergriffen und sie den Überresten der Familie Somoza entrissen hatte, die vierunddreißig Jahre lang dort ein rechtsgerichtetes diktatorisches Regiment führte. Die Sandinisten mit ihrer Mischung aus Nationalismus, Befreiungstheologie und Marxismus näherten sich zunehmend der kubanischen Position an. Im Rahmen der verdeckten Aktionen, mit denen Carter sie beauftragte, sollte die CIA proamerikanische Parteien, kirchliche Gruppen, bäuerliche Genossenschaften und Gewerkschaften unterstützen, um auf diese Weise der Ausbreitung des sandinistischen Sozialismus entgegenzuwirken.
Casey überführte die kleinkalibrigen Operationen in eine riesige Kanonade paramilitärischen Zuschnitts. Im März 1981 gab Präsident Reagan der CIA grünes Licht für Waffen- und Geldlieferungen, »um der vom Ausland geförderten Subversion und terroristischen Aktivität in Mittelamerika« entgegenzutreten. Das Weiße Haus und die CIA teilten dem Kongress mit, ihr Ziel sei es, nicaraguanische Waffenlieferungen an die Linken in El Salvador zu unterbinden, um den dort herrschenden rechtsgerichteten Politikern und ihren Todesschwadronen beizustehen. Das war eine bewusste Lüge. Der eigentliche Plan bestand darin, in Honduras Nicaraguaner zu bewaffnen und auszubilden und mit Hilfe dieser so genannten Contras Nicaragua aus der Hand der Sandinisten
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