CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
hinter dem versuchten Anschlag auf den früheren Präsidenten Bush.
Während der nächsten beiden Monate dachte Clinton über einen geeigneten Vergeltungsschlag nach. Am 26.Juni, einem muslimischen Feiertag, schlugen gegen ein Uhr dreißig nachts dreiundzwanzig Tomahawk-Raketen in der irakischen Geheimdienstzentrale und ihrer Umgebung ein. Die Zentrale besteht aus einem Komplex von sieben großen Gebäuden innerhalb eines von Mauern umgebenen Geländes in der Innenstadt von Bagdad. Mindestens eine der Raketen traf ein Mietshaus und tötete etliche unschuldige Zivilisten, darunter eine bekannte irakische Künstlerin und ihren Mann. General Colin Powell, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, erklärte, die Bombardierung sei »die angemessene Antwort auf den Anschlag auf Präsident Bush«.
Der Leiter des Zentralen Nachrichtendienstes war äußerst aufgebracht über die Vorstellung des Präsidenten von einer angemessenen Reaktion. »Saddam versucht, den früheren Präsidenten Bush zu ermorden«, sagte Woolsey Jahre später, »und Präsident Clinton feuert ein paar Dutzend Marschflugkörper mitten in der Nacht in ein leeres Gebäude, womit er durchaus effektiv an irakischen Putzfrauen und Nachtwächtern Rache übte, aber nicht besonders effektiv an Saddam Hussein.« Nicht lange danach äußerte er: »Unsere Hubschrauber wurden in Mogadischu abgeschossen und wir – wie vor zehn Jahren in Beirut – zogen ab.«
Während die Bilder von toten Rangers, die durch die Straßen von Mogadischu geschleift wurden, noch die amerikanischen Gemüter verstörten, machte sich Clinton daran, die Macht des gewählten Präsidenten von Haiti, des linksgerichteten Priesters Jean-Bertrand Aristide, wieder herzustellen. Er war ehrlich davon überzeugt, dass Aristide der rechtmäßige Führer des haitianischen Volkes sei, und wollte der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Das erforderte die Niederwerfung der Militärjunta, die Aristide aus dem Amt gejagt hatte. Viele ihrer Anführer standen seit Jahren auf der Gehaltsliste der CIA und dienten dem Geheimdienst als zuverlässige Informanten. Dieser Umstand war für das Weiße Haus eine ebenso unangenehme Überraschung wie die Entdeckung, dass die Agency einen haitianischen Geheimdienst ins Leben gerufen hatte, dessen militärische Führer kaum etwas anderes taten als kolumbianisches Kokain zu verteilen, ihre politischen Feinde umzubringen und ihre Macht in der Hauptstadt Port-au-Prince aufrechtzuerhalten. Die Agency befand sich nun in der unangenehmen Lage, die eigenen Agenten abservieren zu müssen.
Darüber gerieten Clinton und die CIA unmittelbar in Konflikt. Ebenso über die zutreffende Einschätzung der CIA, dass Aristide weder ein starker Mann noch ein Musterknabe war. Woolsey sah den Konflikt als ideologisch motiviert an. Der Präsident und seine Berater, erinnerte er sich, »wollten unbedingt, dass wir von der CIA Aristide zum kommenden Thomas Jefferson Haitis erklärten. Einigermaßen verdrossen weigerten wir uns, dem nachzukommen, und verwiesen sowohl auf seine Schwächen als auch auf einige seiner positiven Eigenschaften. Damit machten wir uns nicht gerade beliebt.« Woolsey hatte nur zum Teil recht. Das Weiße Haus fand die Analyse der Schwächen Aristides durch die CIA lästig. Aber es nahm auch Anstoß an den alten Verbündeten der CIA in Haiti.
Wütend darüber, dass sich die CIA mit ihm wegen Haiti anlegte, gelähmt durch seine Unfähigkeit, ein außenpolitisches Programm zu entwickeln, und traumatisiert durch die Abschüsse in Somalia, wollte sich der Präsident für eine Weile nicht mehr in abenteuerliche Unternehmungen in Drittweltländern verwickeln lassen. Aber in dem Moment, in dem die amerikanischen Soldaten und Spione begannen, sich vom Horn von Afrika zurückzuziehen, wohin sie in humanitärer Mission gekommen waren, um dann schließlich getötet zu werden und zu töten, wurden sie erneut gebraucht, um in Ruanda, wo zwei Volksgruppen einander an die Kehle gingen, Leben zu retten.
Ende Januar 1994 ignorierte das Weiße Haus geflissentlich eine CIA-Studie, der zufolge eine halbe Million Menschen in Ruanda vom Tode bedroht waren. Bald eskalierte der Konflikt zu einer der größten von Menschen verursachten Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts. »Niemand erkannte wirklich, wie ernst die Situation war, bevor die Lage außer Kontrolle geriet«, sagte Mort Halperin, damals Mitglied in Clintons Nationalem Sicherheitsrat. »Es gab kein Bildmaterial und nur wenige
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