Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
Vom Netzwerk:
hatte, abzuschätzen. Schließlich fand er heraus, dass die CIA selbst Mitwirkende bei einem ausgefeilten Täuschungsmanöver gewesen war.
    Zu den Dokumenten mit der höchsten Geheimhaltungsstufe, die die Agency während und nach dem Kalten Krieg herausgab, zählten die »blue border«-Berichte, deren Bedeutung durch einen blauen Randstreifen hervorgehoben wurde und die Moskaus Stärke hinsichtlich seiner Raketen, Panzer, Düsenjets und seiner Strategie und Taktik einschätzten. Sie wurden vom Leiter des Zentralen Nachrichtendienstes abgezeichnet und an den Präsidenten, den Verteidigungsminister und den Außenminister geschickt. »Das ist unsere ureigenste Aufgabe als Nachrichtendienst«, sagte Hitz.
    Acht Jahre lang, von 1986 bis 1994, hatten die ranghöchsten CIA-Beamten, die die Verantwortung für diese Berichte trugen, gewusst, dass einige ihrer Quellen vom russischen Geheimdienst kontrolliert wurden. Die Agency gab wissentlich an das Weiße Haus Informationen weiter, die von Moskau manipuliert worden waren – und verhehlte diese Tatsache ganz bewusst. Offenzulegen, dass sie falsche Informationen und Desinformationen geliefert hatte, wäre zu peinlich gewesen. Fünfundneunzig derart verfälschte Berichte verzerrten die amerikanische Wahrnehmung im Hinblick auf die wesentlichen militärischen und politischen Entwicklungen in Moskau. Elf dieser Berichte gingen unmittelbar an die Präsidenten Reagan, Bush und Clinton. Sie unterminierten und verminderten die Fähigkeit der Amerikaner, zu begreifen, was in Moskau vor sich ging.
    »Das war eine unerhörte Entdeckung«, sagte Hitz. Der für diese Berichte verantwortliche ranghöchste CIA-Beamte bestand darauf – gerade so, wie Ames das zuvor getan hatte –, dass er allein den Durchblick habe. Er wisse, was stimme und was nicht. Die Tatsache, dass die Berichte von betrügerischen Agenten kamen, hatte für ihn keinerlei Bedeutung. »Er traf diese Entscheidung eigenmächtig«, sagte Hitz. »Also das war wirklich ein Schock.«
    »Am Ende blieb das Gefühl, dass man der Agency nicht trauen konnte«, meinte Hitz. »Es wurde, kurz gesagt, gegen das oberste Gebot verstoßen. Und darum war die Wirkung so zerstörerisch.« Indem sie das Weiße Haus belog, beging die Agency laut Hitz einen grundlegenden Vertrauensbruch, »und ohne dieses Vertrauen kann kein Geheimdienst seine Aufgabe erfüllen«.
    »Die CIA braucht dringend eine Generalüberholung«
    Woolsey gab zu, der Fall Ames offenbare einen Leichtsinn innerhalb der Institution, der an kriminelle Fahrlässigkeit grenze. »Man konnte fast zu dem Schluss kommen, dass nicht nur niemand aufpasste, sondern dass sich auch keiner verantwortlich fühlte«, sagte er. Dennoch erklärte er, im Fall Ames werde niemand wegen des »Systemversagens« der CIA entlassen oder degradiert. Stattdessen rügte er schriftlich sechs ehemalige höhere Beamte und fünf weitere, die noch im Dienst waren, einschließlich des Leiters des Geheimdienstes, Ted Price. Er kennzeichnete die Pannen als Unterlassungssünden und führte sie auf eine Unkultur innerhalb der CIA zurück, auf eine Tradition aus Arroganz und Verleugnung.
    Am Nachmittag des 28.September 1994 trug Woolsey seine Entscheidung dem Ausschuss des Repräsentantenhauses für die Nachrichtendienste vor. Er kam damit schlecht an. »Man muss sich fragen, ob sich die CIA überhaupt noch von einer x-beliebigen Bürokratie unterscheidet«, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Dan Glickman, demokratischer Abgeordneter aus Kansas, als er die Sitzung verließ. »Man muss sich fragen, ob sie nicht das lebendige Gefühl für das Einzigartige ihrer Mission verloren hat.«
    Der Fall Ames löste einen in seiner Intensität nie gekannten Angriff auf die CIA aus. Er kam von rechts, er kam von links, und er kam auch aus der schrumpfenden Mitte des amerikanischen politischen Spektrums. Aus dem Weißen Haus und dem Kongress ergoss sich eine tödliche Mischung aus Wut und Hohn. Allgemein herrschte der Eindruck vor, dass der Fall Ames keine einmalige Verirrung darstellte, sondern Ausdruck von strukturell bedingter Trockenfäule war. Lieutenant General Bill Odom, der die Nationale Sicherheitsbehörde unter Präsident Reagan geleitet hatte, meinte, die Lösung des Problems erfordere chirurgische Maßnahmen.
    »Ich würde die CIA einer Totaloperation unterziehen«, sagte er. »Sie ist infiziert. Und wenn man nur halbherzige Maßnahmen ergreift, wird sie es bleiben.«
    In seinem Bemühen, den Nachrichtendienst

Weitere Kostenlose Bücher