CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
Informationen.« In ihrer Abneigung dagegen, sich mit Nationen zu befassen, deren Leid nicht über die Fernsehschirme flimmerte, weigerte sich die Clinton-Regierung, das einseitige Massaker als Völkermord zu bezeichnen. Die Reaktion des Präsidenten auf Ruanda entsprang der Entscheidung, die Anteilnahme des amerikanischen Volkes am Schicksal von auseinanderbrechenden Staaten in fernen Weltgegenden, deren Kollaps keine unmittelbaren Auswirkungen auf Amerika hatte, strikt zu begrenzen. Das betraf Länder wie Somalia, Sudan und Afghanistan.
»In die Luft jagen«
Woolsey verlor beinahe jeden Kampf, den er begann, und Kämpfe gab es genug. Als klar wurde, dass Woolsey es nicht vermochte, der CIA ihre finanziellen Mittel und ihre Macht zurückzugeben, nahmen die meisten der noch verbliebenen Stars aus der Zeit des Kalten Krieges ihren Hut und gingen nach Hause. Zuerst verschwanden die Veteranen. Dann stiegen die aufstrebenden Beamten zwischen dreißig und Anfang vierzig aus, um anderswo Karriere zu machen. Es wurde von Jahr zu Jahr schwieriger, junge Talente unter dreißig Jahren zu rekrutieren.
Die intellektuelle und operationelle Leistungskraft der CIA schwand dahin. Die Zentrale wurde von Bürokraten verwaltet, die mit immer kleineren Summen haushalten mussten, ohne eine Vorstellung davon zu haben, was in der Praxis funktionierte und was nicht. Sie hatten keinen Kriterienkatalog, der ihnen half, zwischen Programmen, die Erfolg versprachen, und solchen, die das nicht taten, zu unterscheiden. Weil sie keine Punktetabelle besaßen, in der Erfolge und Misserfolge eingetragen waren, hatten sie kaum eine Vorstellung davon, wie sie ihre Spieler einsetzen sollten. In dem Maß, wie die Zahl der erfahrenen CIA-Operateure weiter sank, fand der Direktor des Zentralen Nachrichtendienstes seine Autorität zunehmend durch sein eigenes aufgeblähtes mittleres Management untergraben – durch einen stetig wachsenden Kader von Spezialkräften, Stabsmitarbeitern und Arbeitsgruppen, die das Hauptquartier überfluteten und sich in Büros ergossen, die in den Einkaufs- und Gewerbegebieten von Virginia angemietet wurden.
So kam es, dass Woolsey sich an der Spitze eines geheimen Bürokratieapparates wiederfand, der immer mehr den Kontakt zum restlichen Regierungsapparat verlor. Ähnlich einem städtischen Großkrankenhaus, dessen schlechte Versorgungsqualität die Patienten kränker werden lässt, machte die CIA bei ihren Routineoperationen Fehler am laufenden Band. James Monnier Simon jr., der um die Jahrtausendwende der leitende Verwaltungsbeamte der Organisation war, schrieb, der amerikanische Nachrichtendienst habe nachgerade Frankensteins Monster geähnelt, als »ein Amalgam aus schlecht aufeinander abgestimmten Teilen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten von ungleichen und manchmal gleichgültigen Beteiligten zusammengefügt worden waren«. Das Ganze habe »an einem defekten Nervensystem gekrankt, das seine Koordinationsfähigkeit und sein Gleichgewicht stark beeinträchtigte«.
Das Problem war zu kompliziert, um rasch behoben zu werden. Wie die Raumfahrt war die Agency ein komplexes System, das auseinanderfliegen konnte, wenn nur ein einzelner Bestandteil versagte. Die einzige Person, die die Macht hatte, die Teile passend zueinanderzufügen, war der Präsident der Vereinigten Staaten. Aber Clinton fand nicht die Zeit, sich klarzumachen, worum es bei der CIA ging, wie sie funktionierte oder wie sie sich in den restlichen amerikanischen Regierungsapparat einfügte. Der Präsident delegierte alles an George Tenet, den er als Stabsleiter des Nationalen Sicherheitsrates ins Weiße Haus berufen hatte.
Als die Regierung Clinton vierzehn Monate im Amt war, saß Tenet bei einem doppelten Espresso und einer Zigarre in einem Straßencafé, das zwei Häuserblocks vom Weißen Haus entfernt liegt, und dachte nach. Was müsse geschehen, um die CIA zu reformieren? »In die Luft jagen«, sagte Tenet. Er hatte natürlich eine kreative Zerstörung im Kopf, einen Umbau von Grund auf. Aber die Wortwahl sprach Bände.
45 »Warum haben wir das bloß
nicht gewusst?«
Fred Hitz, der Generalinspekteur der CIA, erklärte, es sei sein Job, das Schlachtfeld abzuschreiten, sobald sich der Pulverdampf verzogen habe, und die Verwundeten zu erschießen. Seine internen Untersuchungen waren gewissenhaft und gnadenlos. Er war ein CIA-Mann alter Schule, den man, nachdem er vom Vorsteher der Studentenschaft auf Herz und Nieren geprüft worden war, in seinem
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