CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
letzten Studienjahr in Princeton angeworben hatte. Wie es das Schicksal wollte, betraf sein wichtigster Fall einen Klassenkameraden aus dem CIA-Ausbildungsjahrgang von 1967, einen ausgebrannten Alkoholiker aus der alten Sowjetabteilung namens Aldrich Hazen Ames.
Am 21.Februar 1994, dem President’s Day, zerrten FBI-Agenten Ames aus seinem Jaguar, als er sein Haus in der Vorstadt verließ, um in die Zentrale zu fahren, legten ihm Handschellen an und brachten ihn für immer hinter Gitter. Nach seiner Verhaftung besuchte ich ihn im Bezirksgefängnis von Alexandria. Er war ein grauhaariger Mann von dreiundfünfzig Jahren, der fast neun Jahre für die Sowjets spioniert hatte. Er sollte bald lebenslänglich in Einzelhaft sitzen, und es drängte ihn zu reden.
Ames war ein unzufriedener Mensch und Simulant, der die Stelle bei der Agency bekommen hatte, weil sein Vater einst dort angestellt gewesen war. Er sprach ein ganz passables Russisch und schrieb, wenn er nüchtern war, gut lesbare Berichte. Doch seine Personalakte enthielt lauter Vermerke zu seinen Saufeskapaden und seiner Unfähigkeit. Siebzehn Jahre lang war er beruflich nicht vorangekommen. Im Jahr 1985 machte er Karriere. Er wurde Leiter der Spionageabwehr für die Sowjetunion und Osteuropa. Es war bekannt, dass er trank und chronisch unzufrieden war. Und trotzdem gewährte die Agency ihm Zugang zu den Unterlagen nahezu jedes wichtigen Spions, der hinter dem Eisernen Vorhang für die Vereinigten Staaten arbeitete.
Er war nachgerade von Verachtung für die CIA erfüllt. Er hielt die Behauptung für absurd, dass die Bedrohung durch die Sowjetunion immens sei und immer größer werde. Er war überzeugt davon, es besser zu wissen. Er erinnerte sich, dass er dachte: »Ich kenne die Sowjetunion inund auswendig, und ich weiß, was für die Außenpolitik und für die nationale Sicherheit das Beste ist. Und entsprechend werde ich handeln.«
Ames erhielt die Erlaubnis seiner Vorgesetzten, einen Beamten der sowjetischen Botschaft in Washington zu treffen, indem er vorgab, den Russen anwerben zu können. Für 50 000 Dollar händigte er im April 1985 einem sowjetischen Geheimdienstler die Namen von drei Sowjetbürgern aus, die für die CIA arbeiteten. Wenige Monate später nannte er ihm dann alle anderen Namen, die er kannte. Moskau legte zwei Millionen Dollar für ihn beiseite.
Amerikas Spione in der Sowjetunion wurden einer nach dem anderen festgenommen, vor Gericht gestellt, ins Gefängnis gesteckt und exekutiert. Als sie starben, »schrillten im Geheimdienst alle Alarmglocken«, sagte Ames. »Es war, als ob über dem Kreml lauter Neonlampen und Suchscheinwerfer angingen, die quer über den ganzen Atlantik leuchteten und signalisierten: ›Wir sind infiltriert.‹« Aber die CIA-Oberen weigerten sich zu glauben, dass einer aus den eigenen Reihen der Verräter war. Mit Hilfe von Doppelagenten und Täuschungsmanövern manipulierte der KGB gekonnt die Art und Weise, wie die CIA die Sache sah. Es mussten Wanzen dahinterstecken. Ein Maulwurf konnte es auf keinen Fall sein.
Ames gab Moskau auch die Personalien von Hunderten seiner Kollegen bei der CIA preis, zusammen mit einem gründlichen Bericht von ihrer Tätigkeit. »Sowohl ihre Namen als auch die Details etlicher Operationen, die die Vereinigten Staaten am Laufen hatten, wurden dem sowjetischen Nachrichtendienst übermittelt«, sagte Hitz. »Angefangen hatte es 1985, und es ging bis ein oder zwei Jahre vor seiner Verhaftung weiter. Ames sammelte eifrig Informationen, um seinen sowjetischen Führungsoffizier damit zu versorgen. Rein nachrichtendienstlich gesehen, war es der Horror.«
Die Agency wusste, dass ihre Operationen in der Sowjetunion durch irgendetwas zunichtegemacht worden waren. Aber sie brauchte sieben Jahre, um der Sache ins Auge zu sehen. Die CIA war unfähig, sich selbst zu durchleuchten, und das wusste Ames. »Es endete damit, dass die Leute bedauernd die Schultern hoben und sagten, ›das können wir nicht machen‹«, erklärte er grinsend. »Da laufen zwei-, dreioder viertausend Leute herum und spionieren. Das kann man nicht überwachen. Das lässt sich nicht kontrollieren. Das ist nicht zu überprüfen. Und das ist vermutlich das größte Problem mit dem Spionagedienst. Der muss klein sein. In dem Augenblick, wo er groß wird, wird er wie der KGB oder wie wir.«
»Eine Verletzung des obersten Gebots«
Nach der Verhaftung brauchte Hitz länger als ein Jahr, um den Schaden, den Ames verursacht
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