Ciao, Don Camillo
klopfte mit dem Taktstock auf das Notenpult. Alle schwiegen. Es erhoben sich die Klänge der Traviata-Ouvertüre, und die Leute schienen verzaubert. Am Ende war der Beifall so stürmisch, daß der Dirigent und die Musiker erblaßten.
»Das ist Musik!« brüllte Peppone.
»Verdi ist immer Verdi!« antwortete Don Camillo.
Das Programm wurde ausschließlich mit Verdi fortgesetzt, und am Schluß wurde der Dirigent im Triumph herumgetragen.
Als der Schmächtige am Denkmal von Giosue Scozza vorbeikam, betrachtete er den »göttlichen Schöpfer von Harmonien« und sagte dann:
»Man sieht, daß ihm die Luft von Torricella nicht gut bekommen ist.«
»Wenn er hiergeblieben wäre, hätte er viel bessere Musik gemacht«, fügte der Graue hinzu.
»Historische Dinge sind immer schön, auch wenn sie häßlich sind!« stellte Peppone streng fest. »Hier befinden wir uns auf dem Feld der Geschichte, und die Bedeutung von Giosue Scozza ist bleibend und sehr groß. Meinen Sie nicht auch, Hochwürden?«
»Selbstverständlich«, antwortete Don Camillo. »Man muß die Künstler immer in ihrer Zeit betrachten.«
»Aber Verdi…« versuchte der Schmächtige einzuwenden.
Doch Peppone schnitt ihm das Wort ab:
»Was hat Verdi damit zu tun? Verdi ist doch kein Künstler, Verdi ist ein Mensch mit einem Herzen, das so groß ist.«
Und er breitete die Arme ganz weit aus. Don Camillo sprang nicht rasch genug beiseite und erhielt einen fürchterlichen Schlag in den Magen.
Aber er sagte nichts… aus Respekt vor Verdi.
Rückkehr
Vor dem Pfarrhaus stand einer dieser großen Koffer, die wie Autos aussehen. Er trug das Kennzeichen USA, und ein schlanker Herr stieg aus, der – wie es schien – etliche Jährchen auf seinem Rücken haben mußte, aber kerzengerade ging und voller Energie war.
»Sie sind der Pfarrer?« fragte der Fremde Don Camillo, der auf der Bank neben der Tür saß und seinen Zigarillo rauchte.
»Zu Diensten«, antwortete Don Camillo und stand auf.
»Ich muß Sie sprechen«, behauptete der Fremde sehr aufgeregt und betrat kurzerhand den Vorraum.
Sein Schritt war rasch und entschlossen wie der eines Eroberers, und Don Camillo, der in der Zwischenzeit auch hineingegangen war, blieb stehen und blickte ihn verwundert an. Als er jedoch sah, daß der Fremde das Ende des Gangs erreicht hatte und drauf und dran war, in den Keller hinunterzuschlüpfen, griff er ein:
»Nein, mein Herr, hier entlang!«
Der Fremde kehrte äußerst angewidert zurück:
»Da wird man nicht mehr schlau daraus«, rief er. »Da versteht man nichts mehr!«
»Waren Sie vielleicht früher einmal hier im Pfarrhaus und finden nun manches verändert?« erkundigte sich Don Camillo und führte ihn in den kleinen Raum, der gleich rechts neben dem Eingang war.
»Nein, es ist das erste Mal, daß ich hierherkomme«, antwortete der Fremde, noch immer sehr erregt. »Aber man versteht trotzdem nichts mehr! Prügel braucht’s, Hochwürden, und nicht etwa Predigten. Aus Ihren Predigten machen sich diese Gottlosen einen Spaß!«
Don Camillo hielt sich zurück und breitete nur die Arme aus. Schließlich konnte es sich sehr gut um einen Verrückten handeln, der von irgendwo ausgebrochen war. Aber auch ein Verrückter ist, wenn er in einem Auto mit Kennzeichen USA und einem Chauffeur in Livree vorfährt, eine Person, die man mit respektvoller Vorsicht behandeln muß. Der Fremde trocknete sich den Schweiß von der Stirn und holte wiederum Luft. Don Camillo forschte in diesem Gesicht mit den harten Zügen und suchte hektisch im Lagerraum seiner Erinnerung, doch er konnte nichts daraus hervorholen.
»Darf ich etwas anbieten?« fragte Don Camillo.
Der Fremde nahm ein Glas Wasser an, das er in einem Zug leerte. Das schien ihn zu beruhigen.
»Sie kennen mich nicht«, sagte der Fremde. »Ich bin nicht von hier. Ich bin aus Casalino.«
Don Camillo betrachtete ihn voller Mißtrauen. Don Camillo war ein gesitteter Herr, der gegebenenfalls seine Fehler erkennen und demütig werden konnte wie kein anderer. Don Camillo hatte auch ein großes Herz und eine Menge Hausverstand, und dennoch hielt er daran fest, die Menschheit in drei Kategorien einzuteilen: anständige Leute, die man liebevoll betreuen mußte, um sie daran zu hindern, unehrenhaft zu werden. Unehrenhafte Leute, die man noch liebevoller betreuen mußte, um zu versuchen, daß sie ehrenhaft werden. Und schließlich: Leute aus Casalino.
Für Don Camillo waren jene aus Casalino ganz einfach jene aus Casalino. Das
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