Ciao, Don Camillo
Euch redete, habe ich zu beten aufgehört, und sieh da, was dem armen Kerl passiert ist. Herr, verzeiht, aber wenn einer betet, dann soll man ihn nicht ablenken!«
Der Ast, an dem der Junge hing, knackste. Der Priesterschüler stieg auf das Fensterbrett und war mit einem Sprung im Garten. Es war verrückt, was er zu tun vorhatte, aber der Christus hatte ihn vom Beten abgelenkt und sich so für das Unglück mitverantwortlich gemacht. Er mußte also zwangsläufig dem werdenden Priester helfen.
Dieser erreichte gerade in dem Moment den Apfelbaum, als der Ast brach und der Junge herabstürzte. Der Priesterschüler fing ihn im Flug auf, bevor er den Boden berührte, und alle beide landeten dann zwischen den Kohlköpfen. Der Seminarist mußte zwei Wochen lang im Bett bleiben, weil er voller blauer Flecken war und eine Menge Knochen verrenkt waren. Und Gott allein weiß, wie er so davonkommen konnte, ohne sich die Arme, den Halswirbel oder das Rückgrat zu brechen.
Als der werdende Priester wieder auf die Beine kam, kniete er vor dem Christus am Hauptaltar nieder.
»Herr«, sagte er, »ich danke Euch, daß Ihr meinen Freund und mich gerettet habt. Was das Obst betrifft, so verstehe ich…«
»Mach dir keine Sorgen«, unterbrach ihn der Christus, »wir werden auf die Sache mit dem Obst später einmal wieder zu sprechen kommen. Wir haben ja Zeit… «
Don Camillo setzte die Meßfeier fort und strengte sich fürchterlich an, um die Tatsache zu übersehen, daß ein Krimineller dabei war, vor seiner Nase seinen Apfelbaum zu plündern. Und er mußte zusehen. Man weiß nicht, wie es dazu kam, aber die Leute, die an jenem Vormittag in der Kirche waren, erinnerten sich ihr ganzes Leben daran, was dann geschah. Plötzlich sauste Don Camillo vom Altar weg, als wäre er von einer Windhose verschluckt worden. Im Nu stand er im Garten unter dem Apfelbaum, und der unglückliche Bandenchef, der – wie der andere Bandenchef unserer Geschichte – an einem Ast hing, der gerade brach, fiel ihm in die Arme.
Don Camillo stellte ihn auf den Boden und riß ihm das Taschentuch aus dem Gesicht.
»Wenigstens bist du nicht so schwer wie dein Vater«, knurrte er und verpaßte dem Jungen einen gewaltigen Fußtritt.
Dann kehrte er in die Kirche zurück und beendete das Meßopfer. Er ließ den gekreuzigten Christus nicht merken, daß Peppones Sohn, als er auf ihn herunterschneite, ihm eine Rippe gebrochen hatte.
Aber der Christus wußte das ohnehin ganz genau.
Das Gelübde
Man hatte noch nie einen solchen feigen und verräterischen Herbst erlebt: Wenn es nicht in Strömen regnete, dann nieselte es. Und wenn wie durch ein Wunder im Lauf des Vormittags die Sonnenkugel herauskam, dann senkte sich am Nachmittag ein solcher Nebel herab, daß man ihn mit dem Messer hätte durchschneiden wollen. Ein Nebel, der einen noch mehr als das Wasser durchnäßte.
Der Boden war durch und durch naß und vermodert, und alle waren wie verrückt, weil man das Getreide nicht aussäen konnte. Die Tiere versanken bis zum B auch auf den Feldern, die Traktoren kamen nicht vom Fleck, weil ihre Räder sich mit Erde füllten und jedes davon eine Tonne wog. Nur Wahnsinnige gingen über die Felder. Wahnsinnige oder Jäger, denn letztere sind eigentlich nichts anderes als Wahnsinnige auf freiem Fuß.
An jenem Nachmittag mitten im November ging ein Jäger den Canalaccio entlang. Er trug hohe Gummistiefel, und von Zeit zu Zeit mußte er stehenbleiben, um sie im Kanalwasser zu waschen, denn der Schmutz war so verdammt hartnäckig, daß er es sogar schaffte, am Gummi zu kleben.
Der Jäger hatte noch keinen Schuß abfeuern können, und wahrscheinlich würde sich ihm auch in der Folge keine Gelegenheit dazu bieten, dennoch streifte er weiterhin umher. Der Hund begleitete ihn ohne die geringste Freude, ja sogar mit offen zur Schau getragenem Widerwillen. So daß er plötzlich entschlossen kehrtmachte und den Heimweg antrat.
»Ful!«
Der Hund blieb stehen, drehte sich um, schaute seinen Herrn an und ging dann weiter.
»Ful! Hierher!«
Die Stimme des Jägers war gewittergeladen, so kehrte der Hund klagend zurück.
»Wenn ich es da aushalte, mußt du es auch aushallen!« schrie der Jäger, als der Hund wieder neben ihm war.
Hätte er reden können, dann hätte Ful ihm geantwortet:
»Hochwürden, wenn du blöd bist, dann ist das kein ausreichender Grund, daß ich es auch sein muß.«
Der Jäger brummte noch eine Weile vor sich hin. Als er dann sah, wie der Nebel
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