Ciao, Don Camillo
Ruhe, so als ob er sich gerade zu Hause auf dem Balkon befände. Er pflückte die Äpfel und warf sie schnell, sicher und ohne einen Augenblick der Verlegenheit den Komplizen zu.
»Don Camillo«, ermahnte ihn der Christus noch einmal, »warum schaust du immer noch hinaus?«
»Herr«, stöhnte Don Camillo, »auf dem Apfelbaum im Garten, da ist jemand.«
»Don Camillo«, flüsterte ihm der Christus mit strenger Stimme zu, »vier Äpfel lassen dich also deinen Gott vergessen?«
»Nicht vier, Herr!« keuchte Don Camillo: »Sondern vierhundert oder viertausend! Es scheint, daß dieser Teufel hundert Hände hat.«
»Ich versteh dich, Don Camillo«, seufzte der Christus. »Die Sache ist sehr schwerwiegend, und dir bleibt nichts anderes übrig, als die Meßfeier zu unterbrechen, hinauszulaufen und deine Äpfel zu verteidigen.«
Don Camillo rebellierte:
»Herr«, sagte er, »ich habe die heilige Messe nicht unterbrochen, als der Damm barst und das Wasser in die Kirche kam. Niemand und nichts auf der Welt könnte mich jemals die heilige Messe unterbrechen lassen. Meine Äpfel sind mir nicht wichtig. Mich hat nur die provozierende Art des kleinen Banditen beleidigt.«
»Klein, hast du gesagt?«
»Na ja, klein, er wird so an die acht oder neun Jahre alt sein.«
»Dann würde ich ihn nicht einen Banditen nennen, Don Camillo. Ich habe jemanden gekannt, der als Kind die Äpfel von jenem Baum herunterholte, und dann… «
»Orate fratres – Betet Brüder!« schnitt Don Camillo kurzerhand das Gespräch ab und kümmerte sich überhaupt nicht mehr um das Geschehen auf dem Apfelbaum.
Der Apfelbaum, der seine große Krone über dem Garten des Pfarrhauses ausbreitete, war uralt. Er war fast ein Wunder von einem Apfelbaum, denn vor vierzig Jahren trug er drei und jetzt vier große Körbe duftender Äpfel, und er war gesund wie eh und je .
Auch zu der Zeit, als der Apfelbaum des Pfarrers noch jung war, streunten Banden von Springinsfelden durch das Land. Sie hatten ein Stück Brot in der Tasche und kehrten am Abend zurück mit Hemden, die bis zum Platzen mit Obst gefüllt waren.
Das heißt, damals waren die Banden, die unterwegs waren, um Obst zu klauen, viel zahlreicher, und sehr oft schnitten sie auch Pflanzen ab und nahmen sie mitsamt den Früchten mit.
Vom Hauptort aus strömten in der Obstsaison Dutzende und Dutzende von Banden, die sich über die Felder verstreuten und dort, wo sie vorbeikamen, nicht einmal die Blätter auf den Bäumen ließen. Eine der fürchterlichsten war die Bande, die als jene von Chiavicone bekannt war und die ihre Basis in der Nähe der Stauwand des Stivone hatte: ein Dutzend Ganoven jeder Art, etwa neun oder zehn Jahre alt, aber gefährlich, als wären sie achtzehn.
Das Obst interessierte sie sehr, aber noch mehr als am Obst hatten sie Interesse an der »Arbeit« an sich. Sie gingen überall ans Werk, wo sich eine günstige Gelegenheit bot, und sie versuchten die anderen konkurrierenden Banden zu schlagen, aber das, wofür sie sich am meisten begeisterten, war die Arbeit in ihrem Revier. Sie hatten nämlich ein eigenes Revier, in das keine andere Bande einzudringen wagte; einerseits weil die Chiavicone-Jungs es verstanden, sich Respekt zu verschaffen, aber vor allem, weil dieses Revier die zehn gefährlichsten Objekte der gesamten Zone beherbergte. Sie machten daraus eine Sache des Prestiges und der Ehre sogar, und je mehr die unglücklichen Besitzer der Bäume sich ärgerten und die Überwachung und Verteidigung zu verstärken versuchten, um so mehr hatten die Chiavicone-Jungs Gefallen an der Sache.
Unter den zehn Objekten war auch der Apfelbaum des Pfarrers. Ein äußerst riskantes Objekt, weil es in der Wohngegend lag und von einem Drachen von Glöckner bewacht wurde, der nicht zögerte, mit der Flinte loszuballern, und weil schließlich der alte Pfarrer, wenn der Apfelbaum abgeräumt war, in seiner Predigt so lange jammerte, bis er bei den Eltern den brennenden Wunsch hervorrief, die Rüben ihrer Kinderchen mit Kopfnüssen zu traktieren.
Die Chiavicone-Bande war eine Organisation mit »Numerus clausus«, und sie funktionierte besser als alle anderen, weil nur einer die Befehle gab und die anderen sich darauf beschränkten, diese auszuführen. Nach drei Jahren ihrer Tätigkeit verlor die Bande plötzlich eines ihrer Mitglieder. Es verschwand, und niemand hörte mehr etwas von ihm. Das geschah, als die kleinen Springinsfelde sieben Jahre alt waren. Drei Jahre lang ließ sich jenes Mitglied
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