Cinderella undercover
war halb acht Uhr morgens, viel zu früh für meinen Geschmack. Vom Flur drangen Geräusche zu mir, die darauf hindeuteten, dass auch Paps und Stephanie schon auf den Beinen waren. »Ich finde, so geht das nicht!«, hörte ich Stephanie meckern, worauf ein Brummeln von Paps folgte. »Wir müssen uns alle an die Spielregeln halten. Es kann doch nicht sein, dass Cynthia mitten in der Nacht unangemeldet irgendwelche Leute anschleppt.« Paps antwortete etwas, das nach »Hab ich gar nicht mitbekommen« klang. Darauf konterte Stephanie sofort: »Kein Wunder, du schläfst ja in letzter Zeit auch andauernd!«
Nanu?
War die Turteltäubchen-Phase etwa schon vorbei?
Und war es schlimm, dass ich mich tief in meinem Inneren ein klitzekleines bisschen darüber freute?
14.
»Cynthia, Cynthia, so geht das nicht weiter. Diesmal musste ich dir wirklich eine glatte Sechs geben.« Barbara Godeneck verteilte gerade die korrigierte Mathe-Arbeit und betrachtete mich mit einer Mischung aus Mitleid und Unverständnis. Angesichts der knallroten Ziffer, die auf meiner Arbeit prangte, bekam ich einen kleinen Schweißausbruch. Ich war auf dem besten Weg, meine Versetzung zu riskieren. Kein schöner Start in die neue Woche!
»Bleib bitte nach der Stunde hier, ich möchte mit dir reden«, befahl das Geodreieck, während ich innerlich schon meine Verteidigungsrede für Paps probte. Ich hatte weder Lust auf sein Gemecker noch auf Nachhilfestunden bei Koi-Karpfen-Tobi.
»Cynthia, ich bin ein bisschen ratlos«, klagte die Godeneck nach der Stunde, als hätte sie sich das ganze Jahr über ein Bein ausgerissen, um mich in die Geheimnisse der Differenzialrechnung, des Newton-Verfahrens und der Wurzelfunktionen einzuweihen.
In Wahrheit hatte sie sich darauf konzentriert, mit den Schülern zu arbeiten, die beim Wort Vektor in Jubelschreie ausbrachen. (Was jetzt ehrlich gesagt nicht sooooo viele waren.) »Tja, ich weiß auch nicht so recht«, antwortete ich gedehnt und schielte auf die Uhr. Ich hatte Hunger und wollte mir unbedingt noch ein belegtes Brötchen kaufen, bevor die nächste Stunde begann. Mama hatte mir morgens immer etwas zurechtgemacht, obwohl ich schon lange alt genug war, um mich selbst darum zu kümmern…
»Dir bleibt nur noch dieses Halbjahr, um das Ruder herumzureißen, ansonsten sehe ich schwarz für dich«, sagte das Geodreieck mit beinahe zitternder Stimme.
»Ich werde wieder Nachhilfe nehmen und mich anstrengen, versprochen«, log ich, weil mein Magen anfing, laut zu knurren. Ich wollte auf der Stelle hier weg und nie, nie wieder etwas von Mathe und schlechten Zensuren hören.
In allen anderen Fächern war ich gut. Jeder Mensch hatte schließlich Schwachstellen, kein Grund, hier auf Weltuntergang zu machen.
Paps fiel es leider ziemlich schwer, meiner Logik zu folgen, als ich ihm abends meine Arbeit zeigte und versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass Mathe nicht alles im Leben war.
Zu allem Übel zog er auch noch Stephanie in die Sache mit rein, obwohl ich fand, dass das nur uns beide was anging. Doch anscheinend gab es die beiden nur noch im Doppelpack. »Ich rufe gleich Tobias an. Ab sofort werdet ihr zweimal die Woche lernen, ist das klar?«, befahl Paps ungewohnt streng. »Du hast doch bestimmt keine Lust, die Klasse zu wiederholen, oder?«
Äh nein, eher nicht…
»Das wäre alles bestimmt kein Problem, wenn Cynthia sich mehr auf die Schule konzentrieren würde, anstatt zu malen, dem dummen Vogel deutsch beizubringen, ständig Besuch von Freundinnen zu haben und seit Neuestem auch noch zu jobben«, erklärte Stephanie oberlehrerhaft.
»So ein Quatsch, daran liegt es doch gar nicht. Ich bin nur ganz einfach zu unbegabt für dieses Fach. Aber glaubt mir, mit ein wenig Anstrengung und Fleiß schaffe ich das trotzdem, ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen«, beeilte ich mich zu versichern. Hoffentlich kam Paps nicht auf die Idee, mir das Atelier zu verbieten oder den Job in der »Ersten Liebe«. »Lasst mich mal ein bisschen mit Tobias üben und ihr werdet sehen, dass ich im Handumdrehen bessere Noten nach Hause bringe.«
Stephanie zog zweifelnd ihre viel zu dünn gezupfte Augenbraue nach oben und auch Paps sah dummerweise nicht besonders überzeugt aus.
Panik stieg in mir hoch.
Ich wollte unbedingt malen und ich wollte Daniel besser kennenlernen.
Und ich würde mich durch nichts und niemanden von diesem Plan abbringen lassen!
»Also gut, Cynthia. Dann vertraue ich mal darauf, dass du die Sache ernst nimmst und
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