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Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Circulus Finalis - Der letzte Kreis

Titel: Circulus Finalis - Der letzte Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tarek Siddiqui
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kleinen Polizeikappe quollen blonde, leicht gewellte Haare hervor. Er hätte einen volksnahen, überdurchschnittlich jungen Bundespräsidenten abgeben können, und lächelte ein geduldiges Lächeln wie zu Beginn der Weihnachtsansprache.
    Um mö glichst wenig aufzufallen, war ich unbeleuchtet in den Abend hinein gefahren; auf den Fahrradwegen und im Schein der Straßenlaternen hatte ich nicht einmal mehr daran gedacht. Ich entschuldigte mich, suchte nach dem Schalter für die batteriebetriebene Lampe, und hoffte, dass sie funktionieren möge. Sie tat es, zu meiner Erleichterung.
    „ Und hinten?“
    Wieder das gleiche Spiel. Wieder beobachtete der Polizist, dass ich den Schalter erst suchen musste.
    „Sagen Sie, ist das eigentlich Ihr Fahrrad?“
    Ich schü ttelte den Kopf. „Nein. Von einem Freund geliehen.“
    „ Aha. Von einem Freund. Schönes Rad, ziemlich neu. Dürfte ich mal ihren Ausweis sehen?“
    Ich gab ihm den Ausweis und er reichte ihn weiter an seinen Kollegen im Auto. Mir fiel inzwischen etwas ein.
    „Einen Schlüssel habe ich auch.“ Demonstrativ öffnete ich unter seinem wenig beeindruckten Blick das Schloss.
    „ Soso – er hat einen Schlüssel.“ Der Personalausweis wurde mit dem Wort sauber aus dem Auto zurückgereicht.
    „ Dann gute Fahrt, Herr Haller.“
    Wahrscheinlich konnte man mir die Erleichterung von den Zügen ablesen, doch im nächsten Moment änderte sich das. Dem Kreisverkehr näherte sich ein Fahrzeug. Es war mit Blaulicht unterwegs, aber ohne Martinshorn. Unser Rettungswagen. Vorne saß Wegmann, der mich am Morgen, vor gerade mal zwölf Stunden, abgelöst hatte. Reflexhaft verspürte ich eine vage Freude, einen albernen Stolz, dazuzugehören, wie immer, wenn ich eines unserer Autos sah; im nächsten Moment dann die Ernüchterung angesichts des Zerwürfnisses und meiner Flucht, die Befürchtung, nicht zurück zu können, und die Angst, hier, nur mehr Meter vor meinem Ziel, gestellt zu werden.
    Die Polizisten sahen zum Rettungswagen hin, Wegmanns Blick blieb auf die Straß e gerichtet. Übelkeit stieg in mir hoch, und intuitiv duckte ich mich ein wenig. Einen Moment später hatten sie uns passiert, augenscheinlich unterwegs zum gegenüber der Schule gelegenen Krankenhaus. Ich sah dem Wagen nach, der wieder beschleunigte; es war so gut wie unmöglich, dass sie mich im schwindenden Licht entdeckt haben konnten. Dennoch war da eine Kälte wie die Anwesenheit von etwas Fremden, nicht als bloßes Fehlen von Wärme.
    Der Polizist starrte mich an.
    „Alles in Ordnung?“
    Ich riss mich zusammen. „ Bestens. Besser geht’s gar nicht. Nimmt mich nur einfach immer mit, wenn ich die Rettung sehe.“
    „ Dann machen Sie mir die Freude und fahren ab jetzt in der Dunkelheit mit Licht, okay? Damit die nicht so viel zu tun haben.“
    Ich versprach es und stieg aufs Rad, fuhr langsam ü ber den Kreisverkehr hinweg, weiter in Richtung Schule, obwohl es mir widerstrebte, der Straße zu folgen, auf der Wegmann vor nicht mehr als eineinhalb Minuten gefahren war. Der Polizist sah mir mit einem merkwürdigen Blick hinterher, und ich konnte es ihm nicht verdenken.

38
    Die Schule hatte zwei Eingänge, und es erschloss sich nicht unmittelbar, welcher davon der offizielle war. Auf der Seite, von der her ich mich näherte, zwischen dem aus Beton und Glas errichteten Neubau und der Turnhalle befanden sich ein Parkplatz und ein breiter Durchgang. Der eigentliche Haupteingang lag neben dem zu dieser Zeit verschlossenen Schultor auf der anderen Seite, direkt gegenüber dem Krankenhaus, vor dem aller Wahrscheinlichkeit nach unser Rettungswagen stand. Üblicherweise fungierte eine Ordensschwester als Pförtnerin.
    Der Hintereingang war mir sehr viel lieber: Weniger einsehbar, weiter weg vom Krankenhaus, ohne Personal. Ich stellte das Rad an einem der Fahrradstä nder ab und betrat das Gelände vorsichtig, aber nicht so verstohlen, dass ein neugieriger Nachbar von gegenüber mich für einen Einbrecher halten und mir den blondwelligen Polizisten hinterher schicken würde.
    Den Neubau ließ ich unbeachtet, da er ohnehin auf dem Plan nicht abgebildet war. Gleich dahinter öffnete sich der Garten, letztes Überbleibsel einer früher weitläufigen Grün- und Anbaufläche, und rechts davon lag der Altbau, mit seiner ziegelbraunen, teilweise auch weiß verputzten Fassade. Die schweren Zugangstüren waren jedoch fest verschlossen, und kein gezielter Tritt würde sie öffnen. Ich suchte nach einem offenen Fenster,

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