Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton

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zu schwierig, auch nicht die hölzernen Geländer im großen Treppenhaus des Heims – ein Kunststück allerdings, das ihm oft Ärger mit dem Heimvorsteher einbrachte.
    Kaum war er auf gleicher Höhe mit dem Nest, streckte er den Arm aus und langte hinein.
    Da ertönte ein Höllenspektakel vom Himmel.
    Kraa-aak! Kraa-aak! Kraa-aak!
    Die Krähen waren zurückgekommen. Diesmal waren es sechs oder sieben, die mit ihren Flügeln den Himmel verdunkelten. Sie kreisten um den Baumwipfel, dann stürzten sie sich unter wütendem Gekrächze auf den Jungen. Erschrocken schrie Bottle Top auf und duckte sich unter die Äste, aber die Krähen waren zu schnell. Im Nu hatten sie ihn eingekreist, ein wütender Pöbel, und schon fingen sie an, nach ihm zu hacken und an seinen Kleidern zu reißen.
    »Schsch! Fort mit euch!«, brüllte er und scheuchte sie mit den Armen weg, sodass sie von Ast zu Ast hüpften und auswichen. Doch plötzlich rutschte er ab. Er verlor den Halt und fiel zu Boden.
    »Mist!«, fluchte er und rappelte sich wieder auf die Beine, tief erschrocken, aber bis auf ein paar Schrammen und Flecke zum Glück unverletzt.
    Da war auch schon Cirrus an seiner Seite und wehrte die Krähen mit einem Stock ab. Aber es half nicht viel. Die Vögel waren überall, stoben auf und stürzten nieder wie schwarze Flammen. Flügel streiften über die Gesichter der Jungen, Krallen fuhren ihnen durchs Haar. Unter wüstem Geschrei schnappten sich die Jungen ihre Sachen vom Boden und rannten über die Wiese auf das Heim zu, das mehr als hundert Meter entfernt war.
    Die Krähen nahmen die Verfolgung auf.
    Kraa-aak! Kraa-aak! Kraa-aak!, schrien sie und flogen dicht über die Jungen hinweg, die geduckt durch das Gras rannten und sich zum Schutz vor den herabstoßenden krächzenden Vögeln ihre Jacken über die Köpfe hielten.
    Dann, auf halber Strecke über die Wiese, hielten die Krähen inne. Sie brachen jäh ihre Attacke ab und flogen zurück zum Galgenbaum, als wäre nichts geschehen. Wie schwarze Blätter ließen sie sich in den oberen Ästen nieder.
    Stille breitete sich aus.
    Die Jungen verlangsamten ihre Schritte und ließen sich schließlich erleichtert gegen die Mauer des Heims sinken.
    »Hätte glatt Lust, sie zu steinigen, diese Krähen«, sagte Bottle Top zornig und fuhr sich mit dem Ärmel über die schweißverschmierte Stirn, die dort, wo Äste und Zweige darübergepeitscht waren, von feinen blutigen Striemen überzogen war. »Dieser verdammte Vogel hat mich gebissen!«
    »Welcher Vogel?«
    »Der im Nest.«
    »Zeig mal.«
    Cirrus griff nach dem Handgelenk des Freundes und bog ihm rasch die Finger auseinander. An einer der Fingerspitzen war ein weißer Strich.
    »Das war keine Krähe«, sagte Cirrus sachkundig. »Du hast dich an etwas verbrannt.«
    Er warf einen Blick zurück zum Galgenbaum und dachte gerade an die Federn, die er im Gras gefunden hatte, da bemerkte er eine Gestalt, die von Black Mary’s Hole her auf sie zukam: ein Mann in einem ramponierten dunkelblauen Mantel und mit einem Dreispitz auf dem Kopf, der sein Gesicht teilweise verdeckte.
    »Wer ist das?«, fragte Bottle Top, der ihn auch entdeckt hatte. »Der sieht ja aus wie’n Straßenräuber!«
    »Ich weiß nicht«, sagte Cirrus, und ein Frösteln durchlief ihn, als er den Mann wiedererkannte. »Aber ich glaube, der beobachtet immerzu das Heim.«
    Sie wagten sich nicht zu bewegen und sahen ängstlich zu, wie der Mann neben dem Galgenbaum stehen blieb und einen kurzen stumpfen Gegenstand aus den Tiefen seines Mantels hervorzog. Er richtete ihn auf die Jungen.
    »Der hat eine Pistole!«, schrie Bottle Top und ging hinter Cirrus in Deckung.
    Schwer atmend wichen die beiden Jungen bis ganz an die Mauer zurück und zuckten zusammen, als sie hinter sich plötzlich ein lautes schepperndes Geräusch vernahmen. Jemand war im Garten und läutete, um die Kinder wieder zum Unterricht zu rufen.
    »Cirrus! Abraham!«, rief eine Stimme über den Lärm hinweg.
    Bottle Top seufzte tief auf vor Erleichterung. »Das ist bloß Mrs Kickshaw!«, rief er keuchend. »Bin schon unterwegs!«
    Im Nu war er verschwunden, stürmte um die Ecke des Gebäudes, vorbei an den Gräbern hinter dem Findelhaus bis zu der Stelle, wo sie das alte Hanfseil an den überhängenden Ast gebunden hatten, um jederzeit und ohne fremde Hilfe über die Mauer klettern zu können – und ließ Cirrus allein mit dem dunkelhäutigen Mann in der Ferne.
    Für einen langen bedrückenden Moment richtete der Fremde den