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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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hörte, wie die Frau direkt vor ihrem Versteck auf und ab ging. Cirrus hielt die Luft an und rührte sich nicht, schon die kleinste Bewegung konnte sie verraten.
    Durch den Spalt unter der Tür fiel ein kleiner Lichtstreifen. Cirrus’ Herz hämmerte in seiner Brust – ob das Mädchen es spüren konnte? Dann bewegten sich die Dielenbretter ein wenig, und erleichtert stellte er fest, wie das Licht allmählich in der Dunkelheit verschwand.
    Kurz darauf knackten die Stufen über ihnen, eine nach der anderen. Sie warteten, bis die Schritte endgültig verhallt waren, dann entspannten sie sich langsam.
    Erst jetzt wagte Cirrus zu sprechen.
    »Wer bist du?«, sagte er. »Was machst du hier?« Die Fragen stürzten ihm über die Lippen, und peinlich berührt musste er feststellen, dass seine Stimme zitterte. »Warum ist diese unheimliche Frau hinter uns her? Und was hat sie mit Tobias gemacht?«
    Das Mädchen schwieg eine Weile, als müsse sie erst ihre Gedanken ordnen. Dann sagte sie: »Ich heiße Pandora. Ich war früher auch ein Findelkind, und hergekommen bin ich, weil ich dich warnen will.«
    Cirrus runzelte die Stirn. »Mich warnen? Warum?«
    »Madame Orrery«, sagte sie, und ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. »Meine Meisterin. Ich glaube, sie ist hinter deinem Erkennungszeichen her«, sagte das Mädchen.
    »Meinem was?«
    »Deinem Erkennungszeichen«, sagte das Mädchen. »Das, was deine Mutter oder dein Vater für dich zurückgelassen haben, als sie dich ins Heim brachten. Dein Vater wahrscheinlich. Ich habe Madame Orrery einmal von ihm sprechen hören.«
    Auf einmal fühlte sich Cirrus schwindlig. »Mein Vater?« Eigentlich hatte er noch nie an seine Eltern gedacht; für ihn waren allein Mr Chalfont, Mrs Kickshaw und Bottle Top die Familie gewesen, die er brauchte.
    Selbst in der Dunkelheit spürte er Pandoras Blicke in seinen Augen brennen. »Ich glaube, es ist eine Kugel«, sagte sie.
    Das Wort ließ ihn schaudern. Blitzartig stand ihm der Vorfall vom Nachmittag in Black Mary’s Hole vor Augen. Der Mann hatte dasselbe von ihm gefordert.
    »Keine Ahnung, wovon du redest«, sagte er und schob den Gedanken beiseite. »Ich habe keinen Vater. Und kein Erkennungszeichen.«
    »Doch«, sagte Pandora. »Ich bin ganz sicher! Und es muss etwas Besonderes sein, weil Madame Orrery es so dringend haben will. Wahrscheinlich ist es im Arbeitszimmer des Vorstehers versteckt.«
    »Beim Vorsteher?«
    Sie zog hörbar die Luft ein. »Den habe ich ja ganz vergessen!«, rief sie.
    Ehe er begriff, was ihr nun wieder in den Sinn gekommen war, hatte sie ihm etwas in die Hand gedrückt. Er schloss die Finger darum – es waren Schlüssel.
    »Wo willst du hin?«, fragte er, als sie sich mühsam aus der Tür zwängte.
    »Den Vorsteher wecken«, sagte sie.
    »Warte! Ich komme mit«, sagte er und wollte hinter ihr her, doch sie schob ihn in die Kammer zurück.
    »Nein, bleib hier. Ich verspreche dir, ich bin gleich wieder da. Madame Orrery kann nämlich Gedanken lesen, und wer weiß, was sie mit dir machen würde.«
    Bevor er protestieren konnte, hatte sie die Tür hinter sich geschlossen und schlich zum Treppenaufgang. Widerwillig gehorchte Cirrus. Er machte die Augen zu und ließ sich zu Boden sinken. Lauter unbeantwortete Fragen schwirrten ihm durch den Kopf. Sein Vater? Ein Erkennungszeichen? Und nun suchte auch noch eine fremde unheimliche Frau nach ihm – nicht zu reden von dem Mann aus Black Mary’s Hole …
    In Gedanken versunken lehnte er sich zurück und wartete darauf, dass das Mädchen zurückkäme.
    Doch sie kam nicht.
     

 

     

Die silberne Uhr
    Pandora griff nach dem Geländer und schlich die Treppe hinauf. Einzig das schwache Mondlicht, das durch die oberen Fenster hereinschien, half ihr, sich zu orientieren. Alles lag schwarz oder silbern da. Sie konnte kaum etwas erkennen. So folgte sie dem steilen Anstieg des Geländers bis in den ersten Stock und verzog jedes Mal das Gesicht, wenn eine Stufe verräterisch unter ihrem Gewicht knarrte.
    Sie lauschte aufmerksam. Direkt über ihr tickte die Uhr auf dem Treppenabsatz. Aber wo war Madame Orrery? Suchte sie immer noch nach ihnen? Oder war sie inzwischen wieder im Zimmer des Heimvorstehers? Hoffentlich blieb der Junge ruhig in seinem Versteck sitzen!
    Plötzlich stieß ihr Fuß nirgendwo mehr an, sie schien die letzte Stufe erreicht zu haben. Sie tastete sich über den Treppenabsatz, fand schließlich die Tür zur Galerie, und weil sie nichts hörte, schlich sie hinein.

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