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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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Aus dem angrenzenden Arbeitszimmer flackerte Licht, sie ging auf Zehenspitzen weiter und steckte vorsichtig den Kopf durch den Türspalt.
    Der Vorsteher saß immer noch im Sessel am Feuer wie zuvor. Er hatte sich nicht gerührt. Seine Hände lagen ordentlich gefaltet im Schoß, seine kurzen Beine berührten kaum den Boden. Von Madame Orrery keine Spur.
    Pandora lief auf ihn zu und wedelte mit den Händen vor seinen Augen. »Mr Chalfont!«, sagte sie, so laut sie sich traute. »Mr Chalfont! Bitte, wachen Sie auf. Ich muss mit Ihnen reden. Es ist wichtig.«
    Seine Augen waren offen, aber falls er sie sah, ließ er es sich nicht anmerken.
    Sie rüttelte an seinem Arm.
    »Mr Chalfont, bitte!«, drängte sie. »Es ist wegen Madame Orrery. Sie will ein Erkennungszeichen stehlen. Ich glaube, Sie wissen, wo es ist.«
    Er antwortete nicht.
    Sein Atem ging langsam und ruhig; eigentlich atmete er kaum.
    »Können Sie mich hören?«, rief sie verzweifelt.
    Dieses Mal blinzelte er.
    Ihr Herz machte einen Hüpfer vor Freude.
    Statt sie aber direkt anzusehen, schien Mr Chalfonts Blick auf etwas hinter ihr gerichtet. Pandora fuhr herum und sah das Porträt seiner Frau an der Wand.
    »Elizabeth?«, sagte Mr Chalfont so unerwartet, dass sie vor Schreck zusammenfuhr. »Bist du das?«
    Wie ein Blinder streckte er den Arm vor, um über ihr Gesicht zu tasten.
    »Nein, Mr Chalfont. Ich bin’s, Pandora.«, sagte sie und machte einen Schritt rückwärts. »Kind Nummer 4.002.«
    Er zeigte keine Spur von Verständnis.
    »Elizabeth?«, wiederholte er, und jetzt klang seine Stimme wie die eines erschrockenen Kindes. »Bist du da? Ach, wie ich dich vermisst habe!«
    Pandora blickte sich hastig um, sie befürchtete, der Lärm könnte sie verraten.
    »Mr Chalfont, bitte«, sagte sie und kämpfte gegen die aufsteigende Panik in ihrer Stimme an. »Madame Orrery sucht nach einem bestimmten Erkennungszeichen. Ich glaube nach dem von Cirrus Flux. Sie müssen mir helfen, es zu finden.«
    Aber Mr Chalfont schien nun in Schwermut zu versinken. »Tot«, sagte er traurig. »Tot, meine Elizabeth, tot.«
    Pandora stöhnte. Und dann kam ihr plötzlich eine Idee. Was benutzte Mr Sorrel, um Madame Orrerys Patienten wiederzubeleben?
    Sie sah sich nach einem Ersatz für gezuckerte Datteln oder medizinisches Wasser um. Ihr Blick fiel auf die Ingwerdose. ›Mit Ingwer lässt sich jedes Übel kurieren!‹, erinnerte sie sich an die Worte des Vorstehers. Mit einem Satz war sie bei seinem Schreibtisch und wollte eben die Dose öffnen, als sie spürte, dass noch jemand im Raum war. Seide raschelte hinter ihr.
    Langsam, voller Angst, drehte sich Pandora um und sah Madame Orrery in der Tür stehen. Sie hatte sie anscheinend die ganze Zeit über beobachtet. In ihrer Hand funkelte die silberne Uhr.
    Pandora sank fast zu Boden. Ihre Beine waren weich wie Haferbrei, sie zitterte am ganzen Leib. An Flucht war nicht zu denken. Nun saß sie tatsächlich in der Falle.
    »Ah, da bist du ja«, sagte Madame Orrery. »Ich habe mich gewundert, wohin du plötzlich verschwunden bist. Was hast du mit dem Jungen gemacht?« Ihre Blicke wanderten suchend durch den Raum. »Ich habe dich vorhin mit ihm gesehen. Ist er hier?«
    Pandora schüttelte den Kopf und überlegte fieberhaft, was sie ihr sagen könnte, etwas, das sie aufhalten würde. »Ich habe ihm gesagt, er soll weglaufen«, erwiderte sie schnell. »Er ist über die Mauer gesprungen und geflohen.«
    Madame Orrery musterte sie aufmerksam und misstrauisch. Pandora sah mit Entsetzen, dass sie ihre Silberuhr aufschnappen ließ.
    »Er hatte ein Erkennungszeichen bei sich!«, platzte Pandora heraus, und schon sah sie in den Augen der Frau Begehren aufblitzen. »Er hat es mitgenommen!«, ergänzte sie. »Eine Art Kugel!«
    In diesem Moment regte sich Mr Chalfont, und Pandora sah, wie Madame Orrery zögerte. Er gab ein unterdrücktes Stöhnen von sich, ähnlich dem der Patienten im Behandlungsraum. Wachte er auf?
    »Was hat er?«, fragte Pandora in der Hoffnung, sie abzulenken.
    Madame Orrerys Blick wanderte zum Sessel, in dem der Vorsteher saß.
    »Er wird aufwachen«, sagte sie offenbar unbesorgt. »Rechtzeitig. Nur erinnern wird er sich an nichts von all dem, was du ihm gesagt hast. Er wird sich bloß wundern, dass sein Gichtleiden besser geworden ist.«
    »Und ich?«, sagte Pandora ängstlich. »Was werden Sie mit mir machen?«
    Madame Orrery wandte ihren Blick wieder dem verstörten Mädchen zu, ihre Miene verhärtete sich. »Das kommt

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