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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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dirigierte sie die Treppe hinauf.
    Ein Diener öffnete mit einer tiefen höflichen Verbeugung die Tür und führte sie in einen Gewölbegang, der zu beiden Seiten von Säulen umrahmt war. In Glaskugeln, die auf Konsolen längs der Wände befestigt waren, flackerten eigenartige Lichter.
    »Was für eine Überraschung«, sagte eine dünne hohe Stimme irgendwo über ihnen.
    Pandora konnte nicht gleich sagen, woher sie kam – sie schien aus der Höhe herabzutönen –, aber dann, als Madame Orrery sie an einer Reihe von Metallkrügen vorbeiführte, erkannte sie, dass die Stimme einer kleinen Gestalt gehörte, die auf einem thronartigen Stuhl am anderen Ende des Ganges saß. Der Stuhl stand auf Rädern, wie Pandora jetzt bemerkte.
    »Hortense«, sagte der kleine Mann, als sie näher kamen. Er beugte sich vor, um ihre Hand zu küssen. »Was führt Sie so weit weg von Midas Row?«
    »Sie wissen doch«, sagte Madame Orrery kalt und entzog ihm ihre Hand. »Ich fühle Ihr Auge immer auf mir, ganz gleich, wohin ich mich wende.«
    Der Mann lächelte, aber in seinen Augen lag keine Spur von Humor. Sein Gesicht war fein und glatt wie das eines Kindes und ohne jedes Härchen. Er trug ein Gewand aus erlesener Seide und auf dem Kopf einen dazu passenden türkisblauen Turban.
    »Im Ernst«, sagte er. »Was ist der Grund Ihres Besuches?«
    »Ich muss um einen Gefallen bitten.«
    Mr Sidereal musterte sie durch seine edelsteinklaren Pupillen.
    »Mein Auge?«, sagte er nach einer Weile mit hochgezogenen Brauen und aufwärts gerichtetem Blick.
    Pandora folgte der Bewegung seines Kopfes und sah hoch über ihnen ein luftiges Kuppeldach. Durch einen Kreis abgerundeter Fenster, über denen es errichtet war, und durch das Dach selbst strömte Licht herein.
    Madame Orrery nickte. »Ich gehe davon aus, dass es trotz des Wetters seine Aufgabe erfüllt?«
    »Selbstverständlich«, sagte Mr Sidereal. »Staub- und Dunstschwaden verschleiern allenfalls den Himmel, aber wie Sie wissen, habe ich meine Augen überall. Ich kann ganz London überblicken.«
    Nach einem Augenblick des Schweigens drehte er an einem Knopf an der Armlehne seines Stuhls, setzte dadurch etliche Zahnrädchen in Gang und brachte auf diese Weise den Stuhl ins Rollen. Schwerfällig und quietschend setzte er sich in Bewegung.
    »Nun gut«, sagte er leise keuchend. »Folgen Sie mir also.«
    Pandora spürte, dass jemand an ihrem Arm zog.
    »Komm schon, Mädchen. Hilf dem Herrn. Schieb seinen Stuhl«, sagte Madame Orrery.
    Pandora gehorchte. Sie fand zwei Metallstangen an der Stuhlrückseite und machte sich daran, den Mann in seinem fahrbaren Gestell zu einem Aufgang zu schieben, der sich an der Wand entlang hinaufschraubte. Stufen gab es keine, nur eine allmählich ansteigende Bahn, die in Windungen den kreisförmigen Raum hinaufführte.
    Der Mann mag vielleicht klein sein, dachte Pandora, sein Stuhl jedenfalls ist schwer. Sie musste sich dagegenstemmen, um ihn in Bewegung zu halten. Der Mann hatte einen schmalen gekrümmten Rücken und hielt sich mithilfe von Kissen aufrecht, seine spindeldürren Beinchen ruhten auf einer speziellen Fußstütze. Pandora betrachtete die grün- und türkisblaue Stofffülle um seinen Kopf und grübelte, ob er darunter wohl sein Wachsames Auge hatte.
    »Und wer ist das Mädchen, das Sie mitgebracht haben?«, fragte der Mann, als sie sich der Tür am Ende der Rampe näherten.
    Madame Orrerys Gesichtsausdruck wurde hart. »Niemand«, sagte sie. »Ein Kind, das sich überall einmischt, sonst nichts.«
    Vor der Tür standen zwei Diener. Auf ein Zeichen von Mr Sidereal schwenkten sie die Türflügel auf und gaben den Blick auf einen weiten, hellen Raum frei, in dem alle möglichen wissenschaftlichen Geräte standen. Erdkugeln und Armillarsphären waren auf dem Boden verstreut, und hohe Fenster boten Panoramaaussichten auf ganz London.
    Pandora musste tief Luft holen. Sie konnte weit über die Stadt sehen. Im Westen lag die silbrig schimmernde Kuppel der St Paul’s Kathedrale wie ein Juwel im Dickicht dicht aneinandergedrängter Häuser, und weit im Norden, unter Dunstschwaden halb verborgen, dehnten sich die Wiesen und Hügel, die sie aus ihrer Zeit im Heim so gut kannte. Der Anblick jagte ihr einen Stich ins Herz.
    Neben den Fenstern waren lange hölzerne Teleskope aufgebaut, die wie Kanonen in alle Richtungen der Stadt zielten.
    Mr Sidereal manövrierte seinen Stuhl zu einem niedrigen runden Tisch in der Mitte des Raumes.
    »Wen möchten Sie also

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