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Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab

Titel: Cirrus Flux - Der Junge, den es nicht gab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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bombardierte sie mit Grünzeug, das winzig wie Flöhe erschien. Daneben verkaufte eine Frau etwas zu essen, Teigtaschen vielleicht.
    Pandoras Blick wanderte zur unteren linken Ecke des Marktplatzes, wo es ruhiger zuging. Die Müdigkeit lag bleischwer auf ihren Lidern. Aber dann sah sie plötzlich zwei ins Gespräch vertiefte Jungen auf den Pflastersteinen sitzen.
    Sie beugte sich vor. Einer der beiden trug eine braune Jacke – sie sah aus wie die typische Kleidung der Findelkinder –, und er hatte dichtes gewelltes Haar. Der andere trug einen Stapel Schriften.
    »Was ist, Kind? Hast du ihn entdeckt?«, sagte zu ihrer Verblüffung die Stimme neben ihr. Mr Sidereal hatte Pandoras plötzliche Bewegung bemerkt und kam eilends herangerollt.
    Unwillkürlich wich Pandora zurück, aber nicht schnell genug, er hatte ihre Blickrichtung verfolgen können.
    »Ein Junge mit wirrem Haarschopf, sagst du?« Er sah genauer hin und verstellte etwas an der Skala seitlich an seiner Brille. Eine andere Linse schob sich vor sein Auge. »Was hat er an?«
    Pandora antwortete nicht. Sie umklammerte die Tischkante.
    Madame Orrery drängte sich zwischen sie und Mr Sidereal. Sie hatte als Einzige keine Brille auf.
    »Antworte ihm, Mädchen!«
    Pandoras Herz schlug heftig. In ihrem Kopf schwirrte alles durcheinander. »Ich weiß nicht«, gab sie zu. »Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er im Nachthemd.«
    Eine leichte Röte schlich sich auf ihre Wangen, doch Mr Sidereal schien nicht im geringsten erstaunt. Gegen ihren Willen warf Pandora wieder einen Blick auf den Tisch mit dem Stadtpanorama.
    Die zwei Jungen waren aufgesprungen und verließen den Platz. Zu ihrem Entsetzen musste Pandora feststellen, dass die Jacke des einen verrutscht war und ein langes weißes Hemd darunter sichtbar wurde. Es konnte gut ein Nachthemd sein.
    »Hast du ihn gefunden?«, fragte Madame Orrery noch einmal und ließ vor Aufregung ihren Fächer auf- und zuschnappen. »Ist er da? Sag mir, was du siehst!«
    »Aus dem Weg!«, befahl Mr Sidereal. »Das Mädchen muss sich erst absolut sicher sein.«
    Zu Pandoras Erstaunen trat die Frau zurück und ließ sie ihre Beobachtung fortsetzen. Sie sah jetzt, wie die beiden Jungen eine verkehrsreiche Kreuzung überquerten und dann durch etliche, immer enger werdende Gässchen einem unbekannten Ziel entgegengingen. Wohin mochten sie unterwegs sein?
    Sie waren noch immer zu klein, als dass Pandora sie hätte deutlich erkennen können, trotzdem – auch wenn sie immer wieder zwischen Häusern verschwanden und auftauchten – war sie jetzt so gut wie sicher, dass der Junge in der braunen Jacke Cirrus Flux war.
    Was sollte sie tun? Ihn verraten? Oder die Wahrheit vor Madame Orrery verbergen?
    Sie spürte, wie neben ihr Mr Sidereal jede Bewegung der Jungen verfolgte.
    Endlich blieben die zerzausten Gestalten irgendwo im Herzen Londons vor einem eindrucksvollen Park stehen. Auf einem Platz im Zentrum war eine goldene Statue, die von einer Steinplatte aufragte, Kieswege zogen sich durch die Rasenfläche.
    »Und?«, fragte Madame Orrery schon wieder. »Kannst du ihn sehen? Hat er die Kugel bei sich?«
    »Geduld, Hortense«, sagte Mr Sidereal mit erhobener Hand und blickte Pandora an. »Nur das Mädchen kann uns das sagen.«
    Pandora hielt die Luft an. Sie spürte, wie die beiden auf ihre Antwort lauerten. Noch einmal blickte sie auf den Tisch – das Bild des Platzes mit der goldenen Statue hatte sich fest in ihrem Kopf eingeprägt – dann setzte sie die Brille ab und fuhr sich über die Stirn.
    »Nein«, sagte sie endlich. »Tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Es ist ein Junge, der ihm nur ein bisschen ähnlich sieht.«
    Madame Orrery stöhnte hörbar auf und sank in einen in der Nähe stehenden Sessel, doch Mr Sidereal musterte sie argwöhnisch, als glaube er ihr nicht. Mit einem Mal wurde er schweigsam und verschlossen und betrachtete lange den Platz, auf dem die beiden Jungen standen. Er machte fast den Eindruck, als ob er diesen Ort kannte.
    Schließlich schien er des ganzen Vorhabens überdrüssig, er ließ sich vom Tisch zurückrollen und klatschte in die Hände. »Mr Taylor! Mr Metcalfe!«, rief er. »Die Vorhänge!«
    Sofort schoben die beiden Diener die schwarzen Stoffbahnen vom Fenster zurück, sodass wieder Licht den Raum durchflutete. Pandora musste die Tränen wegblinzeln, die ihr plötzlich in die Augen stiegen, und benommen sah sie zu, wie sich das Bild auf dem Tisch langsam auflöste und schließlich ganz

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