City of Death - Blutfehde (German Edition)
nicht um sich zu erleichtern, sondern um die Lippen nachzuziehen und sich zu pudern. Gut, von den dreihundert Gästen war wahrscheinlich auch nur ein Drittel lebendig. Als ich von den Toiletten kam, bahnte ich mir einen Weg zurück zur Terrasse und stieß mit jemanden zusammen. Ich hätte mich der Länge nach auf den Rücken gelegt, hätte mich nicht eine starke Hand gepackt. Der Vampir zog mich wieder in die Senkrechte, doch dort, wo er meinen Arm berührte, kribbelte es eigenartig.
»Danke«, sagte ich mit pochendem Herzen.
Als er meinen Arm losließ, rieb ich mir über die kribbelnde Stelle. Was war das? Ich schaute dem Vampir forschend ins Gesicht – er musste irgendeine Art von Magie gewirkt haben. Er sah unbeschreiblich gut aus, war ungefähr so groß wie Will, aber schlanker. Die blonden Haare waren zu einem Mittelscheitel gekämmt und gingen ihm bis zur Brust. Seine Gesichtszüge waren fein, aber dennoch männlich. Faszinierend waren seine bernsteinfarbenen Augen, die amüsiert zu mir herunterblickten. »Seien Sie vorsichtig, meine Schöne, nicht dass Sie noch zu Schaden kommen.« Seine Stimme klang samtweich und umhüllte mich wie flüssiger Honig. Ich bekam eine wohlige Gänsehaut am ganzen Körper. Seine Mundwinkel zuckten, als sei er sich seiner Wirkung bewusst, dann rauschte er an mir vorbei.
Ich sah ihm völlig verdattert hinterher und fragte mich, wer zum Teufel das gewesen war. Als ich auf der Terrasse ankam, war das eigenartige Kribbeln verschwunden, doch der gut aussehende Vampir ging mir einfach nicht aus dem Kopf.
»Alles in Ordnung?«, fragte Stacy. »Du siehst so verträumt aus.«
Erst ihre Stimme holte mich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Was war mit mir los? Ich schnappte mir ein Glas Prosecco von einem umher laufenden Vampirkellner und leerte das Glas in wenigen Zügen. »Und, hab ich was verpasst?«, fragte ich in die Runde.
In diesem Moment wurde ein Mikro angeschlossen, und eine Stimme erklang in den Lautsprechern: »Test, Test.« Wir und die Umstehenden begaben uns in den Saal.
»Guten Abend, Ladies and Gentlemen, und herzlich willkommen zur diesjährigen Rangerwahl!«
Seinem Akzent nach zu schließen war der Vampir auf dem Podest ein Chinese und höchstwahrscheinlich der Gastgeber Zhao Liang. Ich konnte ihn nicht sehen, weil mir zu viele Leute den Weg verstellten, aber er musste es sein. Die Mädels und ich drängelten uns zu unseren Plätzen durch, wo die Männer auf uns warteten.
»Alberto sucht Sie«, sagte Will an meine Mutter gewandt, als wir bei ihnen waren.
Sie nickte und gab mir einen Kuss auf die Stirn. »Wir sehen uns später.« Dann rauschte sie davon und winkte den anderen zum Abschied.
»Sehr charmante Frau«, flüsterte Stacy mir ins Ohr.
Ich lächelte.
»… Doch ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen. Begrüßen Sie mit mir unsere Bewerber für den Bezirk 6, Steglitz-Zehlendorf!«
Ohrenbetäubender Applaus folgte, als die Kandidaten auf die Bühne traten.
»Mister Drake, Mister Higgs, es ist so weit«, sagte eine kleine Vampirfrau, die von irgendwo aufgetaucht war. »Bitte kommen Sie mit.«
Will und Andre nickten, dann folgten sie ihr.
»Wo gehen die hin?«, fragte ich Max. Stacy lehnte sich über meine Schulter, damit sie mithören konnte.
»Alle Ranger müssen sich nun einfinden, um die Bewerber zu beurteilen. Die Kandidaten stellen sich vor, und die Jury bewertet sie. Am Ende wird entschieden, wer der neue Ranger wird.«
»Cool«, sagten Stacy und ich wie aus einem Mund.
Die Kandidaten bestanden aus sieben Männern und zwei Frauen. Zwei Männer waren Werwölfe, die anderen Vampire, bei den Frauen war ich mir allerdings nicht sicher. Hier waren so viele Paras anwesend, dass es nicht immer einfach war, ihre Natur zu bestimmen; die eine mochte vielleicht eine Elfe sein. Die Kandidaten stellten sich einer nach dem anderen vor. Wie sie hießen, woher sie kamen, wie alt sie waren, wenn ja, welche Fähigkeiten sie besaßen und ob sie schon mal einen Bezirk oder Ähnliches geleitet hatten. Nachdem sie jeweils ihre fünfminütige Rede gehalten hatten, applaudierten die Zuschauer, und der Nächste war dran. Diejenige, die ich für eine Elfe gehalten hatte, stellte sich schließlich als eine von Odelias Hexen heraus. Das war ein äußerst gerissener Schachzug und bei Weitem keine Seltenheit. Da Ranger nämlich immer nur einen Bezirk leiten konnten, schickten sie meist eines ihrer ,Kinder‘ oder – in Odelias Fall – Schüler als
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