City of Lost Souls
ich irgendwelche Mädchen mit hierhergebracht habe, dann lautet die Antwort: nein. Ich will niemanden außer dir.«
Das hatte Clary zwar gar nicht gefragt, aber sie nickte trotzdem, als wäre sie erleichtert. »Ich mag nicht mehr nach unten gehen«, sagte sie.
»Du kannst heute Nacht bei mir schlafen.« Jace’ goldene Augen funkelten in der Dunkelheit. »Oder im großen Schlafzimmer. Du weißt, ich würde dich niemals … «
»Ich will bei dir sein«, unterbrach Clary ihn mit einer Bestimmtheit, die sie selbst überraschte. Vielleicht war aber auch die Vorstellung, allein in dem Raum zu übernachten, in dem Valentin einst geschlafen und den er wieder mit ihrer Mutter zu beziehen gehofft hatte, einfach zu viel für Clary. Oder es lag daran, dass sie einfach nur müde war und bisher nur eine einzige Nacht mit Jace im selben Bett verbracht hatte. Sie hatten Seite an Seite geschlafen und einander nur leicht an der Hand berührt, als läge ein gezücktes Schwert zwischen ihnen.
»Gib mir eine Sekunde, um mein Zimmer aufzuräumen. Da drin herrscht das totale Chaos.«
»Ja klar! Als ich das letzte Mal in deinem Zimmer war, hab ich doch tatsächlich ein Staubflöckchen auf der Fensterbank gesehen. Darum solltest du dich dringend kümmern.«
Jace nahm eine von Clarys Strähnen und ließ die Locke durch seine Finger gleiten. »Ich will ja nicht unbedingt gegen meine eigenen Interessen handeln, aber brauchst du irgendwas zum Schlafen? Einen Pyjama oder … «
Clary dachte an den reich gefüllten Kleiderschrank in Valentins Schlafzimmer – irgendwann würde sie sich an die Vorstellung gewöhnen müssen, also konnte sie genauso gut auch gleich damit anfangen. »Ich hol mir schnell ein Nachthemd.«
Als sie wenige Augenblicke vor der geöffneten Schublade stand und auf den Inhalt starrte, ging ihr auf, dass die Schlafsachen, die Männer für eine geliebte Frau besorgten, nicht unbedingt zu der Sorte von Nachtwäsche zählte, die sie sich selbst ausgesucht hätte. Normalerweise schlief Clary in Trägerhemd und Pyjamashorts, aber sämtliche Kleidungsstücke in der Schublade bestanden entweder aus Seide oder Spitze oder einem Hauch von nichts – oder einer Kombination aus allen dreien. Letztendlich entschied sie sich für ein Nachthemd aus hellgrüner Seide, das eine Handbreit über ihrem Knie endete. Clarys Gedanken wanderten zu der Blondine mit den rot lackierten Fingernägeln, dem Mädchen, das Sebastians Brust gekrault hatte. Ihre eigenen Fingernägel waren abgeknabbert und ihre Zehennägel hatten, wenn überhaupt, bisher nur transparenten Nagellack zu sehen bekommen. Clary fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, wenn sie mehr wie Isabelle wäre: sich der eigenen femininen Macht so bewusst, dass man diese wie eine Waffe einsetzen konnte, statt verwirrt darauf zu starren wie jemand, der bei einer Einweihungsparty ein Geschenk erhält, aber nicht weiß, wo er es hinstellen soll.
Rasch berührte Clary den goldenen Ring an ihrem Finger, damit er ihr Glück brachte, und ging dann in Jace’ Zimmer. Der junge Schattenjäger saß auf dem Bett, nur mit einer schwarzen Pyjamahose bekleidet, und las im gelblichen Schein der Nachttischlampe ein Buch. Clary stand einen Moment da und betrachtete ihn. Sie konnte das feine Spiel der Muskeln unter seiner Haut erkennen, als er die Seiten umblätterte – und sie konnte Liliths Mal sehen, direkt über seinem Herzen. Dieses Symbol besaß keinerlei Ähnlichkeit mit dem schwarzen Gitterwerk seiner übrigen Runenmale: Es schimmerte silbrig-rot, wie mit Blut gemischtes Quecksilber. Und es wirkte vollkommen falsch.
Als die Tür mit einem leisen Klicken hinter Clary ins Schloss glitt, schaute Jace auf und Clary konnte zusehen, wie sich seine Miene veränderte. Sie selbst mochte zwar kein allzu großer Fan von diesem Nachthemd sein, aber das konnte man von Jace nicht behaupten. Der Ausdruck auf seinem Gesicht jagte ihr ein elektrisierendes Prickeln über die Haut.
»Ist dir kalt?«, fragte Jace und schlug die Bettdecke zur Seite. Clary krabbelte ins Bett, während er sein Buch achtlos auf den Nachttisch warf und ihr dann unter die Bettdecke folgte, bis sie nebeneinanderlagen, die Gesichter einander zugewandt. Im Boot auf dem Kanal hatten sie scheinbar stundenlang dagelegen und sich geküsst, doch das hier war etwas völlig anderes. Denn das Küssen hatte im Grunde in aller Öffentlichkeit stattgefunden, unter freiem Himmel und für die ganze Stadt sichtbar. Aber das hier ging wesentlich
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