City of Lost Souls
auch wenn Clary einfach nicht verstand, wieso jemand warmes, saures Wasser trinken wollte. Die Schneeflocken hatten Jocelyns Haare durchnässt und jetzt begannen sie, sich beim Trocknen zu kräuseln, so wie Clarys eigene Haare sich bei feuchtem Wetter kringelten. »Mom«, sagte Clary leise, woraufhin ihre Mutter aufschaute. »Den Dolch, den du geworfen hast … in Lukes Wohnzimmer … war der gegen Jace gerichtet?«
»Nein, gegen Jonathan«, erwiderte Jocelyn. Sie würde ihn niemals Sebastian nennen, das wusste Clary.
»Es ist nur so … « Clary holte tief Luft. »Im Grunde ist es fast dasselbe. Du hast es ja selbst gesehen. Als du Sebastian mit dem Dolch verletzt hast, begann Jace zu bluten. Es scheint, als wären die beiden irgendwie … das Spiegelbild des anderen. Verletzt man Sebastian, dann blutet Jace. Tötet man Sebastian, dann stirbt Jace.«
»Clary.« Jocelyn rieb sich die müden Augen. »Können wir das bitte ein anderes Mal besprechen?«
»Aber du glaubst doch, dass er zurückkommen wird, um mich zu holen – Jace, meine ich. Ich muss sichergehen, dass du ihn nicht verletzen wirst … «
»Tja, da kannst du dir nicht sicher sein. Weil ich das nämlich nicht versprechen werde, Clary. Ich kann es einfach nicht.« Ihre Mutter musterte sie mit eindringlichem Blick. »Ich hab euch beide aus deinem Zimmer kommen sehen.«
Clary errötete. »Ich möchte nicht … «
»Was? Nicht darüber reden? Tja, Pech. Du hast das Thema selbst angesprochen. Und du kannst von Glück reden, dass ich nicht mehr der Nephilimgemeinschaft angehöre. Wie lange hast du schon gewusst, wo Jace steckt?«
»Ich weiß nicht, wo er steckt. Ich habe heute Nacht zum ersten Mal seit seinem Verschwinden mit ihm gesprochen. Allerdings habe ich ihn gestern im Institut beobachtet – zusammen mit Seb … mit Jonathan – und ich habe Alec, Isabelle und Simon davon erzählt. Aber ich konnte sonst niemanden einweihen. Wenn der Rat Jace in die Finger bekommt … Das kann ich einfach nicht zulassen.«
Jocelyn musterte sie aus ihren grünen Augen. »Und warum nicht?«
»Weil er immer noch Jace ist. Weil ich ihn liebe.«
»Er ist nicht mehr Jace – darum geht es ja gerade, Clary. Er ist nicht mehr der Junge, der er einmal war. Kannst du das denn nicht verstehen … ?«
»Natürlich verstehe ich das. Ich bin doch nicht blöd. Aber ich glaube an ihn. Ich habe schon einmal miterlebt, wie er von einem Dämon besessen war und sich davon befreit hat. Ich bin mir sicher, irgendwo steckt der echte Jace noch immer tief in ihm drin. Und ich bin davon überzeugt, dass es einen Weg gibt, um ihn zu retten.«
»Und was, wenn nicht?«
»Das musst du mir erst mal beweisen.«
»Man kann ein Negativum nicht beweisen, Clarissa. Ich weiß, dass du ihn liebst. Du hast ihn schon immer geliebt … viel zu sehr. Denkst du, ich hätte deinen Vater nicht geliebt? Denkst du, ich hätte ihm nicht jede nur erdenkliche Chance eingeräumt? Und jetzt sieh dir an, was dabei herausgekommen ist. Jonathan. Wenn ich nicht bei deinem Vater geblieben wäre, würde er heute nicht existieren … «
»Und ich auch nicht. Falls du das vergessen haben solltest: Ich wurde nach meinem Bruder geboren, nicht vorher«, entgegnete Clary und musterte ihre Mutter mit einem scharfen Blick. »Oder willst du damit sagen, du würdest liebend gern auf mich verzichten, wenn du Jonathan dadurch loswerden könntest? «
»Nein, ich … «, setzte Jocelyn an, verstummte aber im nächsten Moment.
An der Wohnungstür ertönte das Geräusch eines sich drehenden Schlüssels, dann schwang die Tür auf und Alec erschien. Er trug einen langen, ledernen Staubmantel über einem blauen Pullover und weiße Schneeflocken schmolzen auf seinen schwarzen Haaren. Von der Kälte glühten seine Wangen apfelrot, aber der Rest seines Gesichts war bleich. »Wo ist Magnus?«, fragte er.
Als er in Richtung Küche schaute, bemerkte Clary eine Wunde an seinem Kiefer, direkt unterhalb des Ohrs, etwa von der Größe eines Daumenabdrucks.
»Alec!« Magnus eilte ins Wohnzimmer und warf seinem Freund quer durch den Raum eine Kusshand zu. Offenbar hatte er seine Pantoffeln abgelegt, denn er war nun barfuß. Seine katzenartigen Augen leuchteten beim Anblick von Alec auf.
Clary kannte diesen Blick. Genau auf dieselbe Art und Weise schaute sie Jace an. Aber Alec erwiderte Magnus’ Blick nicht; er streifte den Mantel ab und hing ihn an einen Haken an der Wand. Alec war sichtlich aufgebracht. Seine Hände zitterten und seine
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