City of Lost Souls
Blut.
Clary stand auf und riss sich wütend das Sweatshirt vom Leib. Dann fischte sie eine saubere Jeans und ein schwarzes Thermo-Shirt mit V-Ausschnitt aus ihrem Rucksack und zog sich schnell an. Schließlich warf sie einen kurzen Blick auf ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe, das ihr blasses Gesicht zeigte, ihre schneefeuchten, schlaff herabhängenden Locken und ihre Sommersprossen, die sich wie Farbkleckse von ihrer bleichen Haut abhoben. Aber es spielte jetzt keine Rolle, wie sie aussah: Ihre Gedanken wanderten zu Jace und wie er sie geküsst hatte – eine Erinnerung, die bereits Tage zurückzuliegen schien – und ihr Magen schmerzte, als hätte sie unzählige winzige Messer verschluckt.
Einen langen Moment hielt sie sich am Bettsofa fest, bis der Schmerz schließlich verebbte. Dann holte sie tief Luft und marschierte durch den Flur zum Wohnzimmer.
Ihre Mutter saß auf einem der Stühle mit den vergoldeten Lehnen; ihre langen Künstlerfinger umklammerten einen Becher mit heißer Zitrone. Magnus lümmelte auf einem knallrosa Sofa, die Füße mit den grünen Pantoffeln auf dem Beistelltisch abgelegt. »Die Rudelmitglieder haben Luke stabilisieren können«, erzählte Jocelyn gerade mit erschöpfter Stimme. »Allerdings wissen sie nicht, für wie lange. Zuerst dachten sie, die Klinge sei mit Silberpulver präpariert gewesen, doch dann stellte sich heraus, dass es sich um eine andere Substanz handeln muss. Die Spitze des Dolchs … « Jocelyn schaute hoch, sah Clary und verstummte.
»Ist schon okay, Mom. Ich bin alt genug, um zu erfahren, was mit Luke los ist.«
»Na ja, man weiß es eben nicht genau«, sagte Jocelyn leise. »Die Spitze des Dolchs, den Sebastian benutzt hat, ist gegen eine von Lukes Rippen geprallt und abgebrochen und hat sich dabei in den Knochen gebohrt. Aber sie kann nicht entfernt werden. Denn sie … sie bewegt sich.«
»Sie bewegt sich?«, wiederholte Magnus verwirrt.
»Als man versucht hat, die Klingenspitze herauszuholen, hat sie sich tiefer in den Knochen gebohrt und ihn fast gespalten«, erklärte Jocelyn. »Luke ist ein Werwolf – seine Verletzungen verheilen schnell, aber die Spitze sitzt tief in seinem Körper und zerfetzt seine inneren Organe, wodurch sich die Wunde nicht schließen kann.«
»Dämonenmetall«, sagte Magnus. »Kein Silber.«
Jocelyn beugte sich vor. »Denkst du, du kannst ihm helfen? Ich werde zahlen, was immer du verlangst … «
Langsam stand Magnus auf. Seine Pantoffeln mit den Alien-Gesichtern und seine schlafzerzauste Frisur wirkten fehl am Platz, dem Ernst der Lage nicht angemessen. »Ich weiß es nicht.«
»Aber du hast doch auch Alec geheilt«, warf Clary ein. »Als der Dämonenfürst ihn verwundet hatte … «
Magnus ging unruhig auf und ab. »Damals wusste ich, was Alec fehlte, doch dieses Mal habe ich keine Ahnung, um welche Sorte von Dämonenmetall es sich handelt. Natürlich könnte ich herumexperimentieren, verschiedene Heilformeln ausprobieren, aber das ist nicht der schnellste Weg, Luke zu helfen.«
»Und was ist der schnellste Weg?«, fragte Jocelyn.
»Die Praetor Lupus, dieWolfsgarde«, erklärte Magnus. »Ich kannte den Mann, der sie gegründet hat – Woolsey Scott. Aufgrund gewisser … Vorfälle hat er sich für die genaue Wirkungsweise von Dämonenmetallen und Dämonengiften bei Lykanthropen interessiert und seine Erkenntnisse niedergeschrieben, so wie die Brüder der Stille mögliche Heilmethoden für Nephilim jahrhundertelang schriftlich festgehalten haben. Leider sind die Praetor im Laufe der Zeit sehr verschwiegen geworden und haben sich von der Welt abgeschottet. Aber jemand aus ihren Reihen könnte Zugriff auf ihr gesammeltes Wissen erhalten.«
»Luke gehört ihnen nicht an«, gab Jocelyn zu bedenken. »Und die Namen ihrer Mitglieder sind geheim … «
»Aber Jordan … «, warf Clary ein. »Jordan ist Mitglied der Praetor . Er kann es herausfinden. Ich rufe ihn sofort an … «
»Ich werde ihn anrufen«, sagte Magnus. »Ich habe zwar keinen Zugang zum Hauptquartier der Praetor, aber ich kann über Jordan eine Nachricht übermitteln lassen, die unserem Anliegen zusätzliches Gewicht verleihen dürfte. Bin gleich wieder da.« Er schlappte in die Küche, wobei die Insektenfühler auf seinen Pantoffeln sanft hin und her wogten wie Seetang in einer Meeresströmung.
Clary wandte sich wieder ihrer Mutter zu, die in ihren Becher mit dem dampfenden Getränk starrte. Heiße Zitrone war eines ihrer liebsten Stärkungsmittel –
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