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City of Lost Souls

City of Lost Souls

Titel: City of Lost Souls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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Während sich der Himmel verdunkelte, durchbrach plötzlich, nur wenige Schritte von Clary entfernt, etwas die Wasseroberfläche. Sie hörte ein Platschen und schaute gerade noch rechtzeitig zum Kanal, um eine grünhaarige Frau aus den Fluten aufsteigen zu sehen. Die Frau lächelte sie an. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht, aber haifischartige Zähne und die gelben Augen eines Fischs. Perlenketten wanden sich durch ihre Haare. Eine Sekunde später versank sie wieder im Wasser, ohne dessen Oberfläche auch nur zu kräuseln.
    »Eine Nixe«, sagte Jace. »Hier in Venedig gibt es mehrere alte Familien, die schon seit Ewigkeiten in den Kanälen leben. Das ist ein wenig merkwürdig. Denn eigentlich sind sie weiter draußen viel besser dran, wo sie sich im sauberen Meerwasser von Fischen ernähren könnten statt wie hier von Abfall.« Er schaute gen Westen, wo die Sonne bereits untergegangen war. »Die gesamte Stadt versinkt im Meer«, erzählte er. »In hundert Jahren wird ganz Venedig unter Wasser liegen. Stell dir das mal vor: Man geht tauchen und kann die Spitze des Markusdoms berühren.« Er zeigte quer über den breiten Kanal.
    Beim Gedanken daran, dass all diese Schönheit dann verloren war, überkam Clary ein Gefühl der Trauer. »Kann man denn gar nichts dagegen tun?«
    »Du willst eine ganze Stadt anheben? Oder das Meer zurückhalten? Nein, dagegen lässt sich nicht viel tun«, erwiderte Jace. Inzwischen hatten sie eine Treppe erreicht, die wieder nach oben führte. Eine Brise kam übers Wasser und wehte ihm die goldblonden Haare aus Stirn und Nacken. »Alle Dinge folgen dem Gesetz der Entropie. Das gesamte Universum strebt auseinander, die Sterne bewegen sich voneinander fort und Gott allein weiß, was durch die Risse zwischen ihnen hindurchdringt.« Er schwieg einen Moment und fügte dann hinzu: »Okay, das klang jetzt wahrscheinlich ein wenig verrückt.«
    »Vielleicht lag es am Wein, den wir zum Mittagessen hatten.«
    »Keine Sorge, ich vertrag schon das ein oder andere Glas.«
    Sie bogen um eine Ecke und vor ihnen entfaltete sich plötzlich eine glitzernde Märchenlandschaft. Clary blinzelte, bis sich ihre Augen an das helle Licht gewöhnt hatten. Ein kleines Restaurant hatte zusätzlich zu den Tischen im Inneren des Gebäudes auch zahlreiche Tische auf den Gehweg gestellt. Dazwischen ragten mit Lichterketten versehene Terrassenheizstrahler auf, wie ein Wald magischer Bäume. Jace löste sich kurz von Clary, um ihnen einen Tisch zu organisieren, und bald darauf saßen sie am Rand des Kanals und lauschten dem Plätschern des Wassers, das gegen die Uferbefestigung schwappte, und dem gluckernden Geräusch mehrerer kleiner Boote, die sich im Gezeitenstrom auf und ab bewegten.
    Ein Gefühl der Müdigkeit überkam Clary in Wogen, wie das Schwappen des Meeres an den Seiten des Kanals. Sie sagte Jace, was sie essen wollte, und überließ es ihm, auf Italienisch zu bestellen. Als der Kellner wieder gegangen war, stützte sie erleichtert die Ellbogen auf den Tisch und ließ den Kopf auf die Hände sinken. »Ich glaub, ich habe einen Jetlag«, erklärte sie. »Dimensionsübergreifenden Jetlag.«
    »Dir ist schon klar, dass die Zeit eine Dimension ist«, meinte Jace.
    »Pedant.« Clary schnippte einen Brotkrumen aus dem Körbchen auf dem Tisch in Jace’ Richtung.
    Jace grinste. »Ich hab letztens versucht, alle sieben Todsünden zusammenzukriegen«, erzählte er. »Habgier, Neid, Völlerei, Ironie, Pedanterie … «
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ironie keine Todsünde ist.«
    »Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sehr wohl eine ist.«
    »Wollust«, sagte Clary. »Wollust ist eine Todsünde.«
    »Und Spanking.«
    »Ich denke, das gehört zu Wollust.«
    »Und ich denke, es sollte eine eigene Kategorie erhalten«, meinte Jace. »Habgier, Neid, Völlerei, Ironie, Pedanterie, Wollust und Spanking.« Die weißen Glühlämpchen der Lichterketten spiegelten sich in seinen Augen.
    Er sah wunderschön aus, schöner als je zuvor, überlegte Clary. Schöner und dementsprechend distanzierter – unerreichbar. Sie erinnerte sich an seine Worte über die sinkende Stadt und den Raum zwischen den Sternen und dann fielen ihr zwei Zeilen aus einem Song von Leonard Cohen ein, den Simons Band mehr schlecht als recht gecovert hatte: »There is a crack in everything/That’s how the light gets in.« Auch in Jace’ Gelassenheit musste es einen Riss geben – einen Weg, mit dessen Hilfe sie zum richtigen Jace vordringen konnte,

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