Clancy, Tom
Tatsache, die
Ingenieuren, Wildhütern, Kasinos und Hunderten anderer anscheinend nicht
miteinander verbundener Disziplinen längst klar geworden war. Wer macht was,
wann und wo? Für den Stadtplaner war eine bloße Auflistung von stauanfälligen
Kreuzungen ziemlich nutzlos; eine dynamische Landkarte dagegen, auf der er die
neuralgischen Punkte des Verkehrs erkennen und voraussichtliche Trends ablesen
kann, ist für ihn von unschätzbarem Wert. Wie es oft der Fall ist, hatte die
amerikanische Regierung keine allzu ernsthaften Versuche unternommen, in
Bereichen wie Datenvisualisierung und Informationsarchitektur auf den Stand der
technologischen Entwicklung zu kommen. Deshalb musste sie solche
Dienstleistungen an kommerzielle Cyber-Firmen vergeben, während die
Bundesbürokratie Millionen Dollar zum Fenster hinauswarf und obendrein
kostbare Zeit vergeudete.
Für Jack
und Gavin Biery stellte das Projekt, dem sie schließlich den Codenamen
PLOWSHARE gaben, eine echte technologische Herausforderung dar: Wie konnten sie
die Flut von frei verfügbaren Informationen aus dem Internet in eine nützliche
Form bringen? Sie brauchten so etwas wie ein Schwert, mit dem sie alle Auswucherungen
wegschlagen und die Informationen auf ein nützliches Format trimmen konnten.
Das mochte eine leicht überzogene Vorstellung sein, aber überzogen oder nicht,
sie erzielten damit jedenfalls recht schnell Fortschritte. Sie begannen mit
einer Software, die Todesanzeigen von der Ostküste verarbeitete, sie in
verschiedene Gruppen sortierte und landkartenähnlich visualisierte: Alter,
Wohnort, Todesursache, Beruf und so weiter. Viele Muster, die sich dabei
ergaben, waren vorhersehbar gewesen — zum Beispiel, dass die Todesfälle
älterer Menschen besonders häufig in Vierteln auftraten, in denen viele Rentner
wohnten. Aber einige Muster waren neu: Zum Beispiel entdeckten sie die folgende
interessante Korrelation: Wenn im Bundesstaat A die Altersschwelle für
Alkoholika angehoben wurde, kam es auf den Highways, die zum Nachbarstaat B
führten, wo die Altersschwelle niedriger war, zu mehr tödlichen Unfällen mit
Jugendlichen. Natürlich war auch das vorhersehbar, wie sie zugeben mussten,
aber das Ergebnis in Clusterform auf einer Landkarte zu sehen bestätigte doch
wieder einmal das Sprichwort, dass ein Bild mehr sagt als tausend Worte.
Die andere
Überraschung war die Tiefe und die Menge der öffentlich zugänglichen
Informationen. Die wirklich nützlichen Daten waren zwar zugänglich, aber doch
tief in den Websites von kommunalen, einzelstaatlichen und bundesstaatlichen
Behörden verborgen. Sie standen jedem zur Verfügung, der genug Geduld und sehr
gute technologische Fähigkeiten mitbrachte, um sie auszuwerten. Länder der
Zweiten und Dritten Welt, in denen die meisten terroristischen Anschläge
verübt werden, waren die leichtesten Opfer, da in vielen dieser Länder
versäumt wurde, die Lücke zwischen Online-Dokumentation und der Sicherheit
ihrer Online-Datenbanken zu schließen. An sich vertrauliche Informationen wie
Verhaftungsprotokolle oder Ermittlungsakten wurden in ungesicherten Servern
gespeichert, ohne dass zwischen ihnen und den Webportalen ihrer Regierungen
auch nur eine Firewall gestanden hätte oder ein Passwort erforderlich gewesen
wäre.
Das war
auch bei Libyen der Fall. Bereits vier Stunden nachdem ihnen Hendley grünes
Licht gegeben hatte, ließen Jack und Gavin ihr PLOWSHARE-Programm Gigabytes an
Daten von den öffentlichen und den regierungseigenen Datenbanken durchforsten.
Und zwei Stunden danach spuckte PLOWSHARE die Information auf Gavins Google
Earth Pro aus (das er sich durch einen Hackangriff beschafft hatte). Jack rief
Hendley, Granger, Rounds und die Caruso-Brüder im bereits abgedunkelten Besprechungsraum
zusammen. Auf dem Bildschirm war die von PLOWSHARE vergrößerte Satellitenaufnahme
von Tripolis zu sehen, überlagert von zahlreichen, sich kreuz und quer
überschneidenden bunten Linien, Clustern und Quadraten. Jack stand mit der
Fernbedienung in der Hand neben dem LCD-Bildschirm; Biery saß im hinteren Teil
des Raums, das Notebook auf den Knien. .
»Sieht aus
wie ein Gemälde von Jackson Pollock«, witzelte Brian. »Du willst wohl, dass wir
Anfälle bekommen, Jack?«
»Nur
Geduld, Vetter«, gab Jack zurück und drückte auf eine Taste der Fernbedienung.
Die »Datenspuren«, wie er und Biery das Bild benannt hatten, verschwanden. Jack
gab der Gruppe zunächst eine fünfminütige Einführung in
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